ZENTRALFLUGHAFEN THF

- Leben in der Peripherie -
ZENTRALFLUGHAFEN THF
Deutschland, Frankreich, Brasilien 2018
Genre: Dokumentation
Länge: gut 90 Min.
Regie:Karim Aïnouz
Mit: Ibrahim Al Hussein, Qutaiba Nafer, Maria Alahmad, Christine Kiessig-Kämper, Olivier Bonnet, Mahmoud Sultan u.v.m.
Kamera: Juan Sarmiento G.
Schnitt: Felix von Boehm
Musik: Benedikt Schiefer

Das Berliner Tempelhofer Feld (Zentralflughafen, eröffnet in den 1920ern, im Krieg Landungsplatz für amerikanische Hilfeleistungen (Berliner Luftbrücke), als Flugfeld geschlossen vor ein paar Jahren - die Geschichte dieses Areals füllt Bücher) besuche ich gern und oft - meist mit meinem Hund; das ist wunderschön: man beobachtet die Natur durch die Jahreszeiten, man hat einen weiten Blick und erlebt Leute bei ihren friedlichen Freizeitvergnügungen, wobei die bunten Drachen vor blauem Himmel wohl das poetischste sind.

Am Rande dieses Feldes, hinter Zäunen, werden seit 2015  in den Hangars des Flughafenbebäudes, zwischen Stellwänden, wie man sie etwa von Messen kennt, Asylanten untergebracht. Das war als kurzfristige Übergangslösung für die Betroffenen gedacht, als Provisorium, doch dem war und ist nicht so.

Das Doku-Team begleitete in den Hangars lebende Asylanten, helfende Asylanten und Deutsche, und auch Besucher des Tempelhofer Feldes über in etwa ein Jahr, sprach mit ihnen, beobachtete sie teils aus der Ferne, teils aus nächster Nähe. Es entstand so eine Art diskretes, in seiner Schlichtheit distinguiertes Mosaik aus Geschichten, Erinnerungen, konkreten Alltagsproblemen, der Leere, der Langeweile, dem Engagement, dem Nebeneinander von Wohlstand und Perspektivlosigkeit und kleinen Glücksmomenten.
Die hier verwendeten so genannten Kunstgriffe haben einen unglaublichen Effekt. Die filmischen Mittel fügen sich zu einem großen Ganzen, das einen enormen Sog entwickelt und kein bisschen pseudo-pathetisch wirkt, sondern - gottseidank - größtmögliche Empathie beim Betrachter ermöglicht. Die Kamera gibt den Blick frei mittels meist statischer Totalen in konsequenter Zentralperspektive (schön, beeindruckend, klar, "objektiv"...), es gibt keine Kommentare (das Gefühl zum Geschehen wird nicht eingefordert, sondern ganz individuell ausgelöst), und  der vielleicht größte Kunstgfiff findet sich auf der Audio-Ebene, die einen Mix aus schwebenden Geräuschen und Klangflächen bietet, welche zugleich (!) beängstigend und majestätisch erhaben wirken, gewissermaßen schwebend wie die Situation, in der die Portraitierten sich befinden.


Dieser Film macht klar, dass die Asylsuchenden verzweifelt von zu Hause fort gingen, dass sie Sehnsucht nach Hause haben, dass sie hier einen guten Weg für sich suchen, und dass ein Leben in der Peripherie der vergleichsweisen Sorglosigkeit nur ein Übergang sein kann.

Selten hat mich eine Arbeit so beeindruckt.

cnm

Querverweis auf den Film STYX (hier im Blog besprochen).

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