Fragen an Jonas Rothlaender zu seiner Doku DAS STARKE GESCHLECHT
Dieses kurze Interview fand via mail statt. Ich danke Herrn Rothlaender für diese Möglichkeit.
Cinemoenti: Gab es im Vorfeld bestimmte Kriterien für die Auswahl der Männer, die anonym befragt wurden?Beziehungsweise: waren die Kriterien deutlich andere als die für die Männer, die dann vor der Kamera interviewt wurden?
Jonas Rothlaender:
Nein, in beiden Fällen ging es eigentlich darum Männer zu finden, die bereit waren sich zu öffnen und mitzuteilen. Da bin ich
aber häufig meiner Intuition gefolgt, da ich die Männer ja vorher alle
nicht kannte. Und auch wenn der Film natürlich nicht repräsentativ für alle Männer ist, so haben wir doch versucht eine Bandbreite an Männern für das Gespräch vor der Kamera einzuladen.
In beiden Fällen waren es ungefähr 40 Männer und nur ein Viertel dieser Männer kommt dann letztlich auch im Film vor. Das heißt wir mussten
das natürlich fokussieren. Gemeinsam mit Carlotta Kittel und Kai
Eiermann, die den Film geschnitten haben, haben wir uns dann entschlossen, dass wir uns auf die Männer beschränken wollten, wo wir auch ein bisschen hinter die Fassade schauen können.
Wo es etwas zu entdecken gibt.
Cnm: Hast du für dich persönlich eine Antwort auf die Frage herausfiltern können, was Mannsein heute bedeutet? Beziehungsweise: Hast du ein für dich klareres Bild von Männern der heutigen Zeit machen können?
JR: Ich glaube die Frage ist viel zu komplex als das ich sie einfach beantworten könnte. Aber was mich während der Dreharbeiten schon
sehr überrascht hat, war die große Unsicherheit bei fast allen
Beteiligten. Ich hätte da vielleicht auch von selbst drauf kommen
können, da ich das ja selbst von mir kenne. Ich hätte
jedoch nicht gedacht, dass die meisten Männer in ihrem Mannsein so sehr
davon geleitet werden es ihren Partner*innen Recht zu
machen. Die Männer finden ja alle unterschiedliche Antworten darauf was
es ist, das eine Frau will. Trotzdem ging es meistens
darum. Also einem bestimmten Bild von Männlichkeit zu entsprechen.
Ich
hätte nach jahrtausend langer Herrschaft des
Patriarchats vermutet, dass da eine andere Selbstverständlichkeit hinter
wäre. Aber glücklicherweise scheint sich das doch zu verändern.
Wenngleich
ich mir natürlich wünschen würde, dass Männer im Allgemeinen sich
vielleicht in einer Art und Weise definieren können, die weder anderen Menschen
oder sich selbst schadet oder herab würdigt, sich gleichzeitig aber
auch aus einer inneren Sicherheit definiert und nicht im ständigen
Abgleich mit dem
Wunsch ist was andere von ihnen erwarten.
Cnm: Könntest du dir ein filmisches Pendant vorstellen, in dem
Frauen und auch Transmenschen über ihre Sexualität sprechen, um die Filme dann gewissermaßen in den Dialog zu stellen?
JR: Das
ist eine interessante Frage, die mir relativ häufig begegnet ist,
seitdem wir den Film auf Festivals gezeigt haben. Ich hab das erst immer
abgelehnt, weil ich der Meinung war, dass das
vielleicht ein Film sein müsste, den Frauen machen. Aber ich hab doch
angefangen mich mit dem Thema mehr auseinanderzusetzen
und habe angefangen erste anonyme Interviews mit Frauen zu führen.
Allerdings gab es von Seiten des Senders kein Interesse, daher pausiert das jetzt erstmal.
Cnm: War es schwer, ein Vertrauensverhältnis zu den Im-Bild-Interviewten herzustellen?
JR: Ich
kannte die Männer im Vorfeld nicht. Wir haben uns quasi erst im Studio
bei den Aufnahmen kennengelernt. Dann gab es vielleicht kurz Small-Talk
und dann ging es los. Der Versuch war ja, dass die
anonymen Texte als eine Art Türöffner funktionieren. Durch die
Direktheit der Texte war es häufig leicht ins Gespräch
zu kommen. Aber das hat natürlich auch immer mit dem Gegenüber zu tun.
Und letztlich ja, wie bei jeder Begegnung, mit der Chemie, die zwischen zwei Menschen entsteht.
[Anmerkung cnm: beim Dreh schauten die Interviewten über einen halbdurchlässigen Spiegel den Regisseur direkt an - und später von der Leinwand aus uns Zuschauenden. Das ermöglichte a) eine sehr persönliche Atmosphäre und genug Intimität für ehrliche Antworten und b) einen enormen Sog, der von der Leinwand ausgeht]
Cnm: Hat sich für dich die Definition des Wortes Stärke durch diese Arbeit verändert?
JR: Nein,
nicht wirklich. Sie hat sich vielleicht in Bezug auf den Begriff "Das
starke Geschlecht" verändert, also den Titel unseres Films. Der ja
durchaus ironisch gemeint ist, denn wie gesagt. Ich war
überrascht wie unsicher die meisten Männer sich bei unseren Gesprächen
gezeigt haben.
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