DER GOLDENE HANDSCHUH

- Blick in den Abgrund -
DER GOLDENE HANDSCHUH
Deutschland 2019
Genre: nach einer wahren Geschichte, Drama, Crime
Länge: 110 Min.
Regie: Fatih Akin
Buch: Fatih Akin
basierend auf: Heinz Strunk
Darsteller: Jonas Dassler, Margarete Tiesel, Katja Studt, Marc Hosemann, Tristan Göbel, Victoria Trauttmansdorff, Adam Bousdoukos, Hark Bohm, Philipp Baltus, Uwe Rohde, Simon Görts, Dirk Böhling, Peter Badstübner, Lars Nagel, Greta Sophie Schmidt, Jessica Kosmalla, Martina Eitner-Acheampong, Barbara Krabbe, Tilla Kratochwil, Tom Hoßbach, Jens Weisser, Klaus Bobach Rios, Laurent Walter
Kamera: Rainer Klarmann
Schnitt: Andrew Bird, Franziska Schmidt-Kärner
Musik: FM Einheit, Pia Hoffmann

Fritz Honka, historischer Serienmörder, lebte in den 1970er Jahren in Hamburg und ist eine Randerscheinung der "zivilisierten" Gesellschaft. Seine Geschichte ist entsetzlich. Geboren 1935 in Leipzig als drittes von zehn Kindern (drei davon sterben bei der Geburt), lebt er von Anfang an ein chancenloses Leben, das ihn nach einigen Zwischenstationen - wie der Flucht in den Westen 1951 oder einem unschönen Aufenthalt auf einem Bauernhof - letztlich nach Hamburg verschlägt, wo er sich einrichtet und wo er zu morden beginnt. Seine gesamt weiblichen Opfer findet er hauptsächlich in der Kneipe "Zum Goldenen Handschuh", wo Gestrandete und vereinsamte Seelen im Suff das eigene Elend zu vergessen suchen.

Wenn man den "Goldenen Handschuh" mit Akins anderen Filmen vergleicht, schlägt dieser in jeder Hinsicht deutlich aus der Art. Eigentlich kennen wir den Regisseur als engagierten Filmemacher, dessen Arbeiten Kritik und Botschaft effektvoll miteinander verbinden. - Dieser Film ist - oder scheint - vollkommen anders. Als würde unser Blick durch Glas auf einen seltenen Käfer gelenkt, betrachten wir mittels Akins Kamera das grauenvolle Handeln Honkas, quälend detailliert und schonungslos nah. Eigentlich wird nichts erklärt, nichts hergeleitet; die Erzählung fokussiert allein auf den verzweifelten Mann, der, einem Urvieh gleich, durch Straßen und Kneipen wankt und aufs Unbeholfenste nach Liebe sucht und nicht findet, der vernichtet und entsorgt.

Wem möchte man so etwas empfehlen? Kann man das, darf man das?
Allein, mir war dieser Film eine Offenbarung. Denn der "Handschuh" ist kein bloßer Horrorfilm. Der "Handschuh" ist zutiefst menschlich und erschütternd wahr. Die Liebe zum Detail in Sachen Ausstattung und Vertonung wage ich fast gar nicht zu erwähnen... die Besetzung jedoch muss hervorgehoben werden: jede kleinste Nebenrolle stimmt, sie alle erzählen von alltäglicher Verzweiflung und der Suche nach Nähe, schauspielerisch allesamt auf höchstem Niveau. (Vor Dassler habe ich diesbezüglich großen Respekt) Und dass das alles so schwer zu ertragen ist: macht das den "Handschuh" zu einem schlechten Film? Nein! Im Grunde hält uns Akin in verblüffender Gelassenheit einen leinwandgroßen Spiegel hin. Und wenn wir den Mut aufbringen, hineinzusehen, werden wir mit Wahrheit konfrontiert. 

Denn Zerstörungswut und Angst und Abgründe haben wir alle in uns, nur funktioniert bei den meisten die Fassadentechnik "Zivilisation" verlässlich.

"Der Goldene Handschuh" ist, ähnlich wie "Die Klavierspielerin", kein simpler Horrorfilm, sondern ein mutiger und filmisch hochsouveräner Blick in menschliche Abgründe. Ein Film, der die Zeit überdauern wird.

cnm

Diese Kritik werde ich bei Gelegenheit chronologisch "richtig" einordnen.

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