IDIOTEN DER FAMILIE

- Tappen im Dunkel -
IDIOTEN DER FAMILIE
Deutschland  2018
Genre: Drama
Länge: rund 100 Min.
Regie: Michael Klier
Darsteller: Lilith Stangenberg, Jördis Triebel, Hanno Koffler, Florian Stetter, Kai Scheve
Kamera: Patrick Orth
Schnitt: Katja Dringenberg
Musik: Tilmann Dehnhard

Aus dem Presseheft:
"Heli (40) will ein neues Leben beginnen. Sie ist Künstlerin, hat sich die letzten Jahre aber mehr um ihre kleine Schwester Ginnie (26) gekümmert, die geistig behindert ist. Jetzt soll Ginnie in ein Heim und ihre drei egozentrischen Brüder Bruno (30), Tommie (32) und Frederik (42), die Heli nie eine Hilfe waren, sind damit einverstanden.
Bevor Ginnie ins Heim gebracht wird, kommen die Brüder noch einmal zu Besuch, um im idyllischen Häuschen am Rande Berlins Zeit mit ihrer kleinen Schwester zu verbringen, der auf den ersten Blick ihre geistige Behinderung nicht anzusehen ist. Sie erleben dass "Nesthäkchen" als unberechenbares "Biest" und kommen sich in dem Durcheinander näher als erwartet".

Der Text klingt zunächst vielversprechend, jedoch hat der Regisseur das heh're Anliegen seines gesellschaftskritischen Stoffes weitestgehend den improvisatorischen Eingebungen seines  Ensembles überlassen, und das ging allzu gründlich in die Hose:
eine junge Frau, die allzu langsam durch den Garten schreitet, Blumen gießt und dabei entrückt gen Himmel schaut, erweckt in mir nicht den Eindruck einer geistig behinderten Frau, sondern den einer Schauspielerin, die sich Behinderung in etwa so vorstellt (Recherche?!). Das Aufeinandertreffen und Miteinander der übrigen Geschwister (schrecklicherweise tatsächlich ein ansonsten erwiesenermaßen fähiges Ensemble) führt nicht nur zu nichts Gutem, sondern zu einer Art quälendem Nichts: man redet wenig, und wenn, dann unstrukturiert, undramatisch, redundant (!)... und wenn alles nichts hilft, holt man mehr als einmal Instrumente hervor und musiziert, tänzelt ein wenig. Das soll Wirklichkeit widerspiegeln?! Eine Entfremdung zwischen egozentrischen Brüdern der problematischen Schwester gegenüber, wie im Text angedeutet, ist auch kaum zu spüren - im Gegenteil kommt es gar zu Körperlichkeiten, die vage und unangenehm (und gänzlich unnötig) ins Sexuelle driften. Wozu bloß? Und in der schlimmsten Passage bringt der Regisseur sein Anliegen über das unsoziale Gebaren heutiger Menschen gar eins zu eins (Text =  Subtext) in einem Gespräch unter; da kommt Beklommenheit auf...

Meine Meinung: "destruktiver Egoismus und lähmende Bequemlichkeit moderner westlicher Menschen" (so der erklärende Regiekommentar) zeigen sich vielmehr in dichten Dialogen, die eigentlich konsequent parallel laufende Monologe geschäftiger Menschen sind: alle reden aufeinander ein, und immer nur über sich, ihre Projekte und über das, was als nächstes zu geschehen habe. Effizient und seelenlos.

So bleibt zum Abspann dieses Films in mir eine schale, unangenehme Leere, aber nicht die, die Herr Klier hatte bewirken wollen.

Ein Film mit zwar wichtigem Anliegen, der aber in Ermangelung schlüssiger Dialoge und stimmiger Dramaturgie so gar nicht ins Schwarze trifft. Verschenkt.

cnm

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