DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMAO

- Aus nächster Nähe so fern -
DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMÃO
Originaltitel: A Vida Invisível de Eurídice Gusmão
Brasilien, Deutschland 2019
Genre: Melodram, Romanverfilmung
Länge: rund 140 Min.
Regie: Karim Aïnouz
Buch: Murilo Hauser, Inés Bortagaray, Karim Aïnouz
inspiriert von: Martha Batalha
Darsteller: Carol Douarte, Julia Stockler, Gregorio Duvivier, Bárbara Santos, Flávia Gusmão, Maria Manoella, António Fonseca, Christina Pereira, Gillray Goutinho, Fernanda Montenegro
Kamera: Hélène Louvart (AFC)
Schnitt: Heike Parplies (BFS)
Musik: Benedikt Schiefer

Rio de Janeiro in den 1950er Jahren. Für die beiden Schwestern Euridice und Guida ist das Leben nicht leicht, denn sie beide träumen von einem freien, selbstbestimmten Leben. Vor allem Euridice steht mit ihrem Vorhaben, Konzertpianistin zu werden, ziemlich allein da, denn der Vater Manoel hat die Lebensführung für beide als Ehefrauen und Mütter länngst vorgesehen - und er duldet keinen Widerspruch. Alsdann stiehlt sich eines Tages Guida mit dem Seemann, in den sie sich verliebt hat, aus dem Haus. Da auch dieser eine Enttäuschung ist, kehrt sie bald schwanger und verzweifelt zurück. Der Vater jedoch lügt ihr vor, dass die geliebte Schwester ein Stipendium in Wien annahm und nicht mehr da sei - und schickt sie fort. So kommt es, dass beide Schwestern in Rio (über)leben und voneinander nichts wissen. Briefe werden selbstverständlich umgehend vom Vater bei Seite geschafft...
Romanverfilmung nach Martha Batalhas' "Die vielen Talente der Schwestern Gusmão"

Zwischen Frauen aufgewachsen, die um ihre Stellung in der Gesellschaft zu kämpfen hatten, will Karim Aïnouz ein Melodram erzählen, das, farbenprächtig und emotional gewaltig, wahrhaft vom Schicksal jener Frauen in den 50ern erzählt, die sich in ihrer Lebensführung zurückzuhalten und ihre Funktion zu erfüllen hatten, und dabei eine Kreativität entwickelten hinsichtlich Liebe, Sex und Selbstverwirklichung.

Das ist ihm wirklich gelungen. Zunächst haben mich die satten, schreienden Farben, der Einsatz von Musik und die hochpräsent abgemischte Geräusche-Tonspur gestört, aber das ist nur eine Nebensächlichkeit. Selten gezeigt und wirklich sehenswert sind die Situationen, die den Krieg im Privaten zeigen, wie zB den innerehelichen Sex. Während wir vom Kino überversorgt werden mit romantisch verklärten Bildern, geht es hier absurd roh zu und gänzlich an den Bedürfnissen der Frau vorbei. Vermutlich ist das heute noch Realität und darum umso besser, es auch so zu zeigen. Viele weitere Aspekte des Lebens werden ausführlich beleuchtet, wie etwa die Frage, was ist eigentlich wirklich Familie und wovon hängt die Verwirklichung von Lebensträumen tatsächlich ab... 

Der Film hat mich weniger als dramaturgisches Gesamtes überzeugt, sondern vielmehr in der Summe der ungewöhnlichen Momente, die so gar nicht kitschig oder rührselig rüberkommen, wie man es von einem solchen Film erwarten würde.

Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão bietet episch und mit einer bemerkenswerten Mischung aus formaler Opulenz (die Kitsch verspricht) und inhaltlicher Rohheit und Radikalität  ein sehenswertes Bild vom alltäglichen Kampf vieler Frauen im Brasilien der 1950er Jahre. Sehsnswert.

cnm

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