LA VÉRITÉ - LEBEN UND LÜGEN LASSEN

- Das Licht im Eisblock -
LA VÉRITÉ - LEBEN UND LÜGEN LASSEN
Catherine Deneuve
Frankreich 2019
Genre: Dramödie
Länge: 107 Min.
Regie: Hirokazu Kore-eda
Buch: Hirokazu Kore-eda
Darsteller: Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke, Clémentine Grenier, Manon Clavel, Ludivine Sagnier, Alain Libolt, Christian Crahay, Roger Van Hool, Laurent Capelluto, Jackie Berroyer u.a.
Kamera: Éric Gautier (AFC)
Schnitt: Hirokazu-Kore-eda
Musik: Alexeï AÏgui

In den Augen von Fabienne sollte man die Wahrheit nicht allzu ernst nehmen; was zählt, ist die Wahrheit, die sich gut verkauft. Also ist ihre Autobiografie erstunken und erlogen. Als die Tochter Lumir samt Mann und Tochter zu Besuch kommt, steht ihr die Skepsis groß ins Gesicht geschrieben. Wie soll man einer Mutter begegnen, die vor der großen Öffentlichkeit behauptet, eine wärmend liebende, vor allem ganz normale Mutter gewesen zu sein?! Fabiennes' annähernd ignorantes Gehabe überrascht nicht groß vor dem Hintergrund, dass sie eine französische Filmdiva ist, die mit einem möglichen Verlust ihres Status zu kämpfen hat - da kommen die jungen, die schönen, die begabten Talente und scheinen den Star ins Aus zu manövrieren. Forciert wird das Problem, als die Diva sich auf einen Dreh einlässt, in dem sie selbst von einer jungen, gut aussehenden und sehr begnadeten Schauspielerin dargestellt wird. Wir werden Zeugen, wie unterschiedlich drei Frauengenerationen mit dem Thema Wahrheit und Fiktion und mit gestörten Selbstbildern umgehen. Da ist als Setting das Filmgeschäft natürlich optimal geeignet: als Spiegel im Spiegel.

Ehrlich gesagt hatte ich von Frau Deneuve nicht viel erwartet, eilt der Schauspielerin doch eine Aura von Unantastbarkeit voraus, als die französische Ikone, die sie nunmal ist. Doch zu meiner Überraschung bürstet sie genau diesem Bild nonchalant gegen den Strich, indem sie so konsequent wie bravourös eine Frau gibt, die, nur um ein optimales Bild von sich selbst aufrecht zu erhalten, die eigenen (Lebens)Lügen in eine Ecke stellt und das Heucheln ganz offen zum Lebenskonzept erhebt. Die Angriffe der eigenen Tochter und aus ihrem näheren Umfeld kratzen sie da zunächst wenig.

Der Film ist so vielschichtig und facettenreich um das titelgebende Thema gebaut, dass ich nicht übel Lust hätte, ihn noch einmal anzusehen. Kongenial zu Deneuve ist auch Juliette Binoche, die ihre Figur verletzlicher kaum spielen könnte. Allein ihr Ehemann - und das liegt nicht zwingend an Ethan Hawke - gerät hier qua Drehbuch zu einer Figur, der in etwa die Bedeutung und Tiefe einer Stehlampe zukommt; ebensogut hätte man die Tochterfigur auch alleinerziehend auftreten lassen können. Immerhin: er stört nicht weiter. Einem Genre ist dieser Film nur schwer zuzuordnen, da sein Humor eher leise daherkommt und die ernsten bis tragischen Momente eher ins Gewicht fallen.

In seinen stärksten Momenten erinnert La Vérité schon ein wenig an die besten Filme von Pedro Almodóvar, was am Thema Film-im-Film liegen mag und an der faszinierend gelassenen Inszenierung.

Weit weg von einer Hau-drauf-Komödie, ist dieser Film eine gelungene Reflexion über die Konkurrenz von Wahrheit und Lüge, Heuchelei und Integrität im Kontext der Familienbande einerseits und dem Kampf um beruflichen Status einer alternden Diva andererseits. Sehr sehenswert.

cnm

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