MISS DAISY UND IHR CHAUFFEUR

Kritik im Rahmen der Corona-Krise: ältere Filme, die man ggf. leihen oder online streamen oder aus dem Regal nehmen und zuhause schauen kann.
 
- Einer von den guten Tagen -
MISS DAISY UND IHR CHAUFFEUR
Originaltitel: Driving Miss Daisy
Morgan Freeman, Jessica Tandy
USA 1989
Genre: Drama, Rassismus, Antisemitismus, Freundschaft
Länge: 100 Min.
Regie: Bruce Beresford
Buch: Alfred Uhry
nach: Alfred Uhry (Theaterstück) 
Darsteller: Jessica Tandy, Morgan Freeman, Dan Aykroyd, Esther Rolle u.a.
Kamera: Peter James (II)
Schnitt: Mark Warner
Musik: Hans Zimmer

Atlanta, Ende der 1940er Jahre. Apartheit ist in den USA eine Selbstverständlichkeit. Miss Daisy, eine finanziell gut situierte Witwe in ihren Siebzigern, lebt ein geordnetes Leben, begleitet von der Haushälterin Idella und dem Sohn Boolie, der sich liebevoll um sie kümmert, soweit es sein Job als Manager einer Textilfabrik zulässt. Nachdem Miss Daisy in einem unglücklichen Moment die Kontrolle über ihren schönen Chrysler verloren hat und mit diesem in Nachbars Garten gegurkt ist, sucht Boolie einen Fahrer für sie. Dies komplett gegen ihren Willen, denn Miss Daisy ist stolz und eigensinnig, und sie will um keinen Preis nach außen einen protzigen Eindruck machen. Doch ihre Sturheit hat sich vererbt, und so stellt der Sohn den Arbeiter Hoke ein, einen schwarzen, unbeirrt fröhlichen Mann Ende sechzig, welcher die Anweisung erhält, Miss Daisy zur Seite zu stehen und sie zu chauffieren, so sehr sie auch wettern und sich streuben mag. In den ersten Tagen seiner Anstellung lernt er Daisy von ihrer "besten" Seite kennen: ihre schroff-kalte Abweisung und Verweigerungshaltung bedeuten ihm, dass er eigentlich nur schweigend herumsitzen und Däumchen drehen sollte. Doch auch er hat Persönlichkeit, und so beginnt ein langwieriger Kampf gegen Windmühlen, der all seine Geduld auf die Probe stellt...

Weichzeichner, cognacfarbenes Licht, Musik, die instant das Gemüt ergreift, eine störrische Alte in altrosa Spitzenkleidern und ein ungebrochen fröhlicher Fahrer mit buddhistischer Gelassenheit - Kitsch as Kitsch can? Eine Reihung von Klischees? Nicht im Mindesten! Mit Feingefühl und einem guten Blick fürs Wesentliche gelingt es Regie und Ensemble, in jedem einzelnen Augenblick dieses Films authentisch, tief und glaubhaft eine Geschichte zwischen zwei guten Seelen zu erzählen, die vom Leben höchst unterschiedlich geformt wurden und sich hier über Jahre begegnen. Was Jessica Tandy mit geringsten Mitteln an Charakterfeinzeichnung herstellt, ist eine Sensation mit dem Seltenheitswert einer Perle und zu Recht mit dem Oscar für die beste weibliche Hauptrolle geehrt worden. Freeman spielt ihr ebenbürtig, ganz klar, und bemerkenswert ist, dass die deutsche Synchronfassung die Intensität und Intimität beinah noch vergrößert; Tilly Lauenstein und Jürgen Kluckert haben hier meisterlich gearbeitet! Es sind die Kleinigkeiten, die Veränderungen im alltäglichen Umgang, die diese Erzählung so wertvoll und liebenswert machen. Die Themen Apartheit und Antisemitismus (Miss Daisy ist gläubige Jüdin) werden in erstaunlich homöopathischen Dosen verhandelt, und das ist genau richtig so, denn es geht hier vielmehr um das, was Freundschaft im Kern bedeutet. Sicherlich werde ich Driving Miss Daisy noch sehr oft anschauen.

Dieser Film ist so leicht und weich, wie er komplex ist. Eine Filmperle für die (Corona-)Insel und meine dringende Empfehlung.

cnm

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