UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER

Kritik im Rahmen der Corona-Krise: ältere Filme, die man ggf. leihen oder online streamen oder aus dem Regal nehmen und zuhause schauen kann.
 
- Heute, jetzt und hier -
...UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER
Originaltitel: Groundhog Day
Bill Murray
USA 1993
Genre: Dramödie
Länge: rund 100 Min.
Regie: Harold Ramis
Buch: Danny Rubin, Harold Ramis
Darsteller: Bill Murray, Andie MacDowell, Chris Elliott, Stephen Tobolowsky u.a.
Kamera: John Bailey
Schnitt: Pembroke J. Herring
Musik: George Fenton / klassische Musik

Wetterfrosch Phil Connors ist gefühlt seit einer Ewigkeit auf den Bildschirmen der Nation zu sehen und sagt das Wetter voraus. Unübersehbar leidet er an Unterforderung und der täglichen Routine und fühlt sich - trotz oder gerade wegen seiner Bekanntheit - unter Menschen nicht mehr sonderlich wohl. Wieder einmal soll er mit einer kleinen Crew - dem Kameramann Larry und der Redakteurin Rita - in einem kleinen Spießerkaff namens Punxsatawney das jährliche Ritual anlässlich des Murmeltiertags dokumentieren, bei dem vor aufgeregtem Publikum ein echtes Mureltier aus einem Kästchen geholt wird und angeblich voraussagt, wie lang der Winter wohl noch dauern möge. Selbst vor laufender Kamera gelingt es Phil nicht mehr wirklich, seine Verachtung für diesen Quatsch mit geheucheltem Interesse zu überspielen.

Was dann passiert: ist surreal.
Wegen eines Schneesturms müssen die drei eine weitere Nacht im Ort bleiben, und am nächsten Morgen lauert eine erschreckende Überraschung: es ist wieder Murmeltiertag! Für Phil, der die Welt nicht mehr versteht, wiederholt sich alles auf exakt dieselbe Weise, nur fällt niemandem außer ihm etwas auf. Das Radio spielt dieselbe Musik, die Menschen sprechen dieselben Sätze, und wenn er sein Déjà-vu zur Sprache bringt, hält man ihn für irre. - Ein Albtraum ohne Entkommen!

Ich kann mir keinen Film vorstellen, der geeigneter wäre, das, was wir während der Corona-Krise erleben, mit Humor und Tiefgang zu spiegeln. Seinerzeit konnte man die Story mal schnell als eine verrückte und völlig abwegige Spinnerei abtun... die Zeit soll stehen bleiben? Ein Tag folgt dem anderen, und nichts verändert sich? Jetzt haben viele von uns diese schwer zu fassende Realität im eigenen Leben! Die Welt hält an, sie steht still, und doch geht die Sonne auf und unter.

Das, was Und täglich grüßt das Murmeltier aus der Frage nach dem Sinn des Lebens im Angesicht allen Stumpfsinns macht, reicht weit. Denn das Drehbuch macht es seiner Hauptfigur wahrlich nicht leicht. Die Verzweiflung ist erdrückend, und die diversen Versuche, durch unterschiedlichste Tricks innerhalb eines einzigen, ewig dauernden Tages ein wenig Normalität und inneren Halt oder besser: einen Ausweg zu finden, gleichen einem Kampf gegen Windmühlen. Phil kämpft diesen Kampf bis zu dessen erstaunlichem Ende.

Das lebensphilosophische Destillat, das sich zum Filmende ergibt, ist verblüffend einfach, befreiend und beglückend. Und es ist weit mehr als nur märchenhaft oder absurde Spinnerei (bei aller maßlosen Übertreibung, wohlgemerkt). Darum sei dieser Film genau jetzt allen empfohlen, die ihn noch nie gesehen haben oder ihn wiederentdecken möchten. Denn er wirkt womöglich wie eine hervorragende Wundsalbe fürs strapazierte Gemüt!

cnm

In Anlehnung an diesen Film entstand 2019 der Wiesbaden-Tatort "Murot und das Murmeltier", Regie Dietrich Brüggemann, mit einem großartigen Ulrich Tukur. Die Umsetzung ist kongenial zum oben besprochenen Film.

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