FRAGEN SIE DR. RUTH

- Was immer es braucht -
FRAGEN SIE DR. RUTH
Originaltitel: Ask Dr. Ruth | Kinostart: 27. August 2020
Dr. Ruth Westheimer
USA 2019
Genre: Dokumentation
Länge: 100 Min.
Regie: Ryan White
mit: Dr. Ruth Westheimer
Kamera: David Paul Jacobson
Schnitt: Helen Kearns
Musik: Blake Neely

Kaum ein Thema unterliegt so vielen fatalen Missverständnissen wie das Thema Sex und Partnerschaft. In den 1980er Jahren, als Dr. Ruth medial in Erscheinung trat, war es noch schlimmer als heute: man sprach nicht direkt und schon gar nicht in der Öffentlichkeit... zum Beispiel über Orgasmusschwierigkeiten... zum Beispiel über Selbstbefriedigung der Frau... zum Beispiel über Fetische oder Homosexualität.
 
Dr. Ruth, eine auffallend kleine, vitale Frau, schon zu jener Zeit nicht mehr jung, tat dies eines Nachts im Spätprogramm eines Radiosenders (man hatte eigentlich beabsichtigt, einem öffentlichen Auftrag zu entsprechen und sie gleichzeitig qua gewählter Sendezeit nicht allzu sehr in den Fokus zu rücken) - und wurde in kürzester Zeit bekannt wie ein bunter Hund: ihre zunächst redigierte Sendung wurde bald live ausgestrahlt und sukzessive bis auf zwei ganze Stunden verlängert. Dr. Ruth war zu Gast in Shows und Diskussionsrunden, sie dozierte, publizierte, therapierte, schauspielte. Das ist bis heute so: die studierte Psychologin saust wie ein Wirbelwind durch die Lande, dass die Kameraleute kaum hinterher kommen. Nicht einen Moment lang scheint sie sich Ruhe zu gönnen oder gar zu brauchen...

Diese Dokumentation widmet sich umfangreich dem Leben der Dr. Ruth, die als Kind jüdisch orthodoxer Eltern aus Nazideutschland über die Schweiz in die USA auswanderte, heimlich lernte, studierte, ihren Doktor machte, mehrere Männer liebte und heiratete und irgendwann entdeckte, dass sie nicht nur gut dozieren konnte, sondern auch eine qualifizierte Sex-Ratgeberin war. Die Rückblenden in ihren Lebenslauf sind bebildert zum einen mit alten Fotos, zum anderen mit sehr gut gemachten und feinfühlig erzählten Animations-Sequenzen.

Die Energie der Protagonistin dieser Doku ist beispiellos. Sämtliche Statements, die sie vom Stapel lässt in Interviews und Beratungsgesprächen, zeugen von lupenreiner Analyse und konsequent humanistischer Haltung. Dass sie keine Lust hat, sich als Feministin bezeichnen zu lassen, gehört zu den vielen Überraschungen des Films. Es ist ein Vergnügen, sie über diese lebendig geschnittene Doku kennenzulernen; wer dies getan hat, wird Dr. Ruth wohl so schnell nicht aus seinem/ihrem Herzen entlassen.

Liebevoll gestaltetes Portrait einer Frau, die in keine Schublade passt, und der man aus lauter Eigennutz wünschte, sie würde ewig leben. Wunderbar!
 
cnm

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