WALCHENSEE FOREVER

- Vom Dreh- und Angelpunkt -
WALCHENSEE FOREVER ½
Filmstart: 21.10.2021 | FSK 6
ⓒ FlareFilm

Deutschland 2019
Genre: Dokumentarfilm
Länge: annähernd 120 Min.
Regie: Janna Ji Wonders
Buch: Janna Ji Wonders, Nico Woche
Mit: der Familie der Regisseurin, Zeitzeugen
Kamera: Janna Ji Wonders, Sven Zellner
Ton: Janna Ji Wonders, Sven Zellner, Martial Kuchelmeister
Dramaturgie und Schnitt: Anja Pohl
Musik: Markus Acher, Cico Beck

Mit ihrer Langzeitdokumentation verfolgt die Regisseurin die eigene Familiengeschichte, welche sich von der Geschichte ihrer Urgroßmutter bis in die jüngste Zeit bzw. in die Gegenwart der Filmemacherin selbst über ein Jahrhundert erstreckt. Maßgebliche Interviewpartnerinnen sind dabei ihre Großmutter und ihre Mutter - und auch darüberhinaus steht die Perspektive von Frauen im Fokus. Diese starteten gesamt von dem familiär betriebenen Café am bayerischen (und titelgebenden) Walchensee. Sie fanden oder suchten ihre Männer auf unterschiedlichste Weisen, entfernten sich vom Ort, es trieb sie in den Endsechzigern über Mexiko nach San Francisco (zum sog. Summer of Love), zu indischen Ashrams, einem Harem und letztlich - immer wieder zurück in die Heimat. Dabei erleben wir vor allem die Stellung von Frauen im Wandel der Zeit, und deren Reflektion darüber bzw. ihren Umgang damit: ihr sich-Fügen, ihr Ausbrechen.

Die Magie dieser Dokumentation ist eine, die sich am besten erschließt, wenn Sie sie sich im Kino auf großer Leinwand anschauen. Ich konnte diesen hypnotischen Effekt, der sich ganz allmählich einstellte, selbst kaum fassen. Janna Ji Wonders (und ihr Team, vor allem wohl die Dramaturgin) hat ein ungeheures Talent, Interviews mit einer Ruhe zu führen, dass in der Leichtigkeit des Augenblicks eine seltene Mischung aus Ehrlichkeit und zärtlicher Wehmut entsteht. Der Schnitt ist ebenso sensibel wie episch: zurückhaltend, ausgewogen, auf den (dramaturgischen) Punkt. Pohl/Wonders unterschneiden die vielen O-Töne mit alten,  sehr alten Dokumenten wie Fotos oder Super-8-Filmen, sie stützen diese mit einfühlsamer Musik und, verblüffend wirkungsvoll, dezenten Geräuschen, die kaum auffallen, aber im Kopf ganze Filme entstehen lassen. So gelingt es ihnen, Lebensgeschichten regelrecht aufblühen zu lassen, suggestiv und doch glasklar. Der Effekt ist unvergleichlich und macht große Hoffnung auf weitere Arbeiten von Wonders.

Ich bin froh, diese Arbeit zweimal gesehen zu haben. Die Liste der verliehenen Preise ist ellenlang, und das zu Recht (unten führe ich nur ein paar davon auf).
Dringende Empfehlung!

cnm

    "Summer of Love" | ⓒ FlareFilm     






Auszug aus der Liste der vergebenen Preise

★ Bayerischer Filmpreis, Bester Dokumentarfilm 2019
★ Berlinale Kompass-Perspektive-Preis 2020
★ Golden Alexander Newcomers Award, Thessaloniki 2020
★ Deutscher Kamerapreis/ Bester Schnitt für Anja Pohl 2020
★ Biografilm Best Film Unipol Award, Italien 2020

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