NEW ORDER - DIE NEUE WELTORDNUNG

NEW ORDER - DIE NEUE WELTORDNUNG
Originaltitel: Nuevo Orden | Kinostart: 12.08.2021 | FSK 16
Ein erstes Omen: grünes Wasser!   ⓒ Ascot Elite Entertainment


 
Mexico, Frankreich 2020
Genre: Dystopie
Länge: rund 90 Min.
Regie: Michel Franco
Buch: Michel Franco
Darsteller: Naian González Norvind, Diego Boneta, Mónica del Carmen, Fernando Cuautle, Eligio Meléndez, Regina Flores, Dario Yazbek Bernal, Lisa Owen, Roberto Medina u.a.
Kamera: Yves Cape
Schnitt: Oscar Figueroa Jara, Michel Franco
Musik: Cormac Roth

Man sieht gleich, dass Geld das geringste Problem unserer exemplarischen Familie ist, welche zu Beginn des Films eine Hochzeitsfeier in ihrem luxuriösen Anwesen mit Garten und emsigem Personal mit einer solch nonchalanten Selbstverständlichkeit ausrichtet, als würden sie seit Menschengedenken nichts Anderes tun. Die gut gekleideten Gäste trudeln ein, reichen Geschenke und Kuverts an, easy listening-Musik plätschert, alles ist, wie es sein soll. Selbst das junge Brautpaar wirkt adäquat glücklich und verliebt. Als ein ehemaliger Bediensteter vor die Tür tritt und um finanzielle Unterstützung für eine dringend notwendige Operation seiner Frau bittet, ziert man sich, möchte den Bittenden möglichst schnell loswerden. Doch die Braut, Marianne, fühlt mit, so sehr, dass sie dem Abgewiesenen (nur kurz, wie sie sagt) im Wagen folgt, um Hilfe zu leisten. 
 
Was zu ihnen allen bis jetzt noch nicht durchgedrungen ist, ist der Umstand, dass genau in diesen Stunden auf den Straßen eine Rebellion der Unterprivilegierten ausbricht; die Straßen werden in kürzester Zeit zu Schlachtfeldern, Menschen werden entführt, deren Familien erpresst, viele der Entführten kurzerhand exekutiert. Ein Jagen und Bangen beginnt, und niemand ist mehr sicher.

Waren nicht schon oftmals Katastrophenszenarien, die uns auf der Leinwand ein wenig übertrieben vorkamen, Ankündigungen dessen, was wir kurz darauf real erleben durften? Bestes Beispiel: Extremwetterbedingungen! Das, was einem hier wie eine Metapher vorkommen mag (Arm bäumt sich gegen Reich auf) liegt ohne Frage in der Luft. Es ist das zu Erwartende, und es ist auch das Folgerichtige, da der Kapitalismus in seiner Endphase die Schere zwischen denen, die haben und jenen, die nicht(s) haben in einen Spagat gezwungen hat. Erschütternd brachial erzählt Regisseur Michel Franco dies Szenario: da gibt es keinen Verlass mehr auf Bestechungsgelder, auf die errichteten Mauern um's Eigenheim und nicht einmal auf die steuerfinanzierte Polizei oder das Militär! Auch für uns im Kinosessel wankt die Welt: es überleben nicht die üblichen Verdächtigen Identifikationsfiguren wie etwa die heilige Kuh Vater-Mutter-Kind (im Gegensatz zu den meisten standartisierten US-Produktionen).

Was am Ende dieses präzis erzählten Hergangs einer gesamtgesellschaftlichen Implosion bleibt, ist die Asche blanken Zynismus'. Der Regisseur äußert sich dazu: "Dieser Film ist eine Warnung. Wenn Ungleichheit und Ungerechtigkeit nicht mit zivilisierten Mitteln angegangen werden, und wenn alle abweichenden Stimmen zum Schweigen gebracht werden, wird das Chaos losbrechen".

Wenn ich New Order - Die neue Weltordnung auch als beeindruckend, sehenswert und sogar richtungweisend erachte, fehlt mir doch ein erzählerischer Ansatz, der über das - pardon - Jammern hinausgeht. Hier möchte ich den Klassiker Der diskrete Charme der Bourgeoisie (F 1973, R.: Luis Buñuel) vergleichend anführen , in dem der Regisseur die Verlogenheit einer gesättigten Oberschicht wie einen immerwährenden Alptraum unter die Lupe nimmt.

Brachial und präzis erzählte Dystopie des Aufstands eines zu lange kleingehaltenen Prekariats.
Weniger ein Stück Unterhaltung als vielmehr wichtiger Impuls für politische Diskussionen. Sehenswert.

ⓒ Ascot Elite Entertainment

cnm
 
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