ONODA - 10.000 NÄCHTE IM DSCHUNGEL

ONODA - 10.000 NÄCHTE IM DSCHUNGEL 
Originaltitel: Onoda | Filmstart: 02.06.2022 | FSK 12
Endō Yūya Rapid Eye Movies


Frankreich, Japan, Deutschland, Belgien, Italien, Kambodscha 2021
Genre: Biopic, Drama, Kriegsfilm
Länge: knapp 170 Min. (langer Film)
Regie: Arthur Harari
Buch: Arthur Harari, Vincent Poymiro
Inspiriert von Hirō Onodas Lebensgeschichte
Cast: Endō Yūya, Tsuda Kanji, Matsuura Yūya, Chiba Tetsuya, Katō Shinsuke, Inowaki Kai, Angeli Bayani, Nakano Taïga u.a.
Kamera: Tom Harari
Schnitt: Laurent Sénéchal
Musik: Sebastiano de Gennaro, Enrico Gabrielli, Andrea Poggio, Gak Sato und Olivier Marguerit

Soldaten, die nach der Kapitulation Japans im zweiten Weltkrieg dennoch bei den Waffen blieben, wurden als "Holdouts" oder "Straggler" bezeichnet. Die möglichen Gründe für ihr Verhalten waren die Weigerung, die Kapitulation anzuerkennen oder, ganz fatal, die Tatsache, dass die Soldaten wegen geographischer Isolation vom Kriegsende nicht erfuhren bzw. diese Nachricht für eine Lüge hielten. 

Der Nachrichtenoffizier Onoda Hirō (1922 - 2014) ist 22 Jahre alt, als er 1944 auf die kleine Insel Lubang auf den Philippinen entsandt wird, um dort mit seinen Soldaten die Stellung so lange zu halten, bis er offiziell zurückgerufen wird. Seine vorangegangene Ausbildung beinhaltete eine Art elitären Spezialauftrag: Überleben um jeden Preis sollte oberstes Gebot sein. Lügen, Töten, Stehlen, alles sollte gestattet sein, solange der Soldat treu, integer und am Leben blieb.
Ein Jahr nach seiner Ankunft hätte Onoda nach Hause gehen können, doch er hält die Stellung für knappe dreißig Jahre! Während sämtliche Kameraden nach und nach umkommen, überlebt er bis zum erlösenden Befehl zur Aufgabe im Jahre 1974, also Jahrzehnte nach Erlass dieses Befehls. Der Film schildert diese unglaubliche, wahre Geschichte.

Mit einem zwar sinnvollen, aber arg verschachtelten Einstieg braucht es eine Weile, bis man im Film "angekommen" ist, aber dann entfaltet er einen unausweichlichen Sog. Es sind gar nicht so sehr die Bilder, die hier bestechen, sondern die Einfachheit, Diskretion und Intensität der Inszenierung. In jedem Augenblick ist zu spüren, wie die einzelnen Figuren durch Phasen der Selbstfindung, des Zweifelns, der Wut und Versöhnung gehen. Wie sie, in Ermangelung eines Feindes, nah am Wahnsinn mit sich selbst, mit ihren Kameraden, dem Schicksal ringen und hadern. Das ist schauspielerisch und dramaturgisch lupenrein. Hierbei stört keine überdramatisierende Musik, viele sehr dramatische Szenen kommen - im Gegenteil - gänzlich ohne aus. Eine Filmlänge von annähernd drei Stunden kann einen ja wirklich abschrecken - hier macht sie selbstverständlich Sinn und wird problemlos ausgefüllt.

Wie diese Geschichte zu lesen ist, ob wir den Protagonisten als Helden oder als Wahnsinnigen, den ganzen Hergang als würdiges Denkmal für Soldatenstolz oder als eine einzige Farce interpretieren, bleibt dankenswerterweise uns überlassen. Die Memoiren von Onoda jedenfalls wurden ein Bestseller, und seine Popularität in der Heimatstadt belastete ihn irgendwann derart, dass er 1975 nach Brasilien auswanderte. 1984 kehrte er nach Japan zurück und gründete eine Naturschule. Seine Morde von Zivilisten im Guerilla-Kampf bereute er zu keiner Zeit. Und trotz der Gewalttaten wurde ihm vom philippinischen Staat offiziell verziehen.

Onoda - 10.000 Nächte im Dschungel ist mir derart in den Leib gefahren, dass ich ihn jederzeit nochmal anschauen würde. Ein ungewöhnlicher Film über eine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Empfehlung!

cnm


Onoda erhielt den César 2022 für das Beste Drehbuch.

Kommentare

Beliebte Posts der letzten 30 Tage

SPY x FAMILY CODE: WHITE

BEI UNS HEISST SIE HANKA

QUEER EXILE BERLIN

GASOLINE RAINBOW

THE ZONE OF INTEREST

IRDISCHE VERSE

ZWISCHEN UNS DER FLUSS

MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG

DOGMAN

ONE LIFE