FRANCE

Die wahren Monster
FRANCE 

Filmstart: 09.06.2022 | FSK 12

Bildmitte: Léa Seydoux  |   Foto: R. Arpajou © 3B PRODUCTIONS


Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien 2021
Genre: Satire, Komödie, Drama
Länge: gut 130 Min. (langer Film)
Regie: Bruno Dumont
Buch: Bruno Dumont
Cast: Léa Seydoux, Blanche Gardin, Benjamin Biolay, Juliane Köhler, Emanuele Arioli, Gaëtan Amiel, Jawad Zemmar, Marc Bettinelli
Kamera: David Chambille
Schnitt: Nicolas Bier
Musik: Christophe

Die landesweit bekannte und beliebte Fernsehjournalistin France de Meurs lebt ein glamouröses Leben. Im Fernsehen von allen bewundert, auch von sich selbst, zuhause warten Mann, Kind und Komfort. Dass die Ehe eine Zweckehe ist und das Kind eher Dekoration, darf man klein schreiben. Kritische Fragen, ob de Meurs sich selbst zu sehr in Szene setze, tut sie nonchalant lächelnd ab: es sei ja ihre Aufgabe, Identifikationsfigur zu sein.

Ihr Gewissen meldet sich zu Wort, nachdem sie versehentlich einen jungen Mann angefahren hat, der prekär mit seinen arbeitslosen Eltern lebt und diese nun mittelfristig nicht mehr versorgen kann. France  springt ein, besucht, die Familie, hilft aus. Von hier an will der Mensch in ihr an die Oberfläche - was sich aber so gar nicht mit der bislang gewohnt zynischen Welt des TV-Geschäfts verträgt. Ihre Demontage verläuft rapide, und einem Zusammenbruch lernt die erschöpfte Frau während einer Erholungskur eine neue Liebe kennen, und das Leben scheint für sie ganz neu und anders zu beginnen.

France zeigt derart viele Seiten einer zerrissenen Figur, ihre inneren Kämpfe und Widersprüche in der Welt des Infotainments, zerfressen von Eitelkeit, Ehrgeiz und heh'ren Ansprüchen, dass der Film einer Goldgrube gleicht, in der man genüsslich wühlen kann. Für mich ist dies keine flockige Komödie, sondern eine beißende Satire, zeigt sie doch das Vorgehen mancher Berichterstattung wie unter einem Brennglas. Hier wird, kurz gesagt, aus Scheiße Gold gemacht. - Einige formale Kunstgriffe sind derart künstlich überhöht, dass sich der Film gar über die Filmsprache als solche lustig macht (köstliches Beispiel: Rückprojektionen während Autofahrten geraten zunehmend falsch und entlarven damit die Studiosituation). Es entsteht ein Verwirrspiel zwischen künstlichem Glanz und echtem Elend, der uns mit der Hauptfigur ordentlich durchschüttelt, uns gar mit einbezieht: wer ist hier eigentlich der Voyeur?!

Das alles fügt sich - von ein paar Überlängen gegen Ende des Films abgesehen - Dank des perfekten Casts, einer bestechenden Inszenierung und zuweilen surrealer Musik zu einer kleinen, perfid-vergnüglichen Quälerei, die vor allem eins hinterlässt: die blanke Sehnsucht nach ein bisschen Menschlichkeit. 

cnm

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