VERLORENE ILLUSIONEN

VERLORENE ILLUSIONEN ☆☆
Originaltitel: Illusions perdues | Filmstart: 22.12..2022 | FSK 12
Benjamin Voisin | ⓒ cinemien





Frankreich 2021
Genre: Historisch, Gesellschaftsdrama, Romanverfilmung
Länge: 150 Min. (langer Film)
Regie: Xavier Giannoli
Buch: Jacques Fieschi, Xavier Giannoli
Nach: Honoré de Balzac
Cast: André Marcon, Benjamin Voisin, Cécile de France, Gérard Depardieu, Jean-François Stévenin, Jeanne Balibar, Louis-Do de Lencquesaing, Salomé Dewaels, Vincent Lacoste, Xavier Dolan u.a.
Kostüme: Pierre-Jean Larroque AFCCA
Kulissen: Riton Dupire-Clément ADC
Kamera: Christophe Beaucarne
Schnitt: Cyril Nakache
Musikalische Leitung: Varda Kakon

Nach dem gleichnamigen Roman von Honoré de Balzac, erschienen 1846.
Frankreich, Mitte des 19. Jahrhunderts. Der junge und nicht eben wohlhabende Lucien arbeitet  in einer Druckerei. Nebenher verfasst er sentimentale Gedichte und fühlt sich damit zu Höherem berufen. Eine heimliche (weil nicht standesgemäße) Liebschaft mit der älteren Louise könnte ihn weiterbringen - also begleitet er sie nach Paris, wo er zwar kleidungstechnisch gut getarnt auftritt, aber dennoch als grobgeschnitztes Bürschchen unangenehm auffällt. Seine doch recht simplen Gedichte können ihn da schon gar nicht weiterbringen. - Erfolg erzielt er dann eher zufällig in einer Zeitungsredaktion, in der man seine scharfzüngige Kritik am Kulturgeschehen erst zu schätzen und später zu fürchten weiß. Von nun an wird er Instrument und Spielball sämtlicher relevanter Strippenzieher der feinen Gesellschaft - Verehrung und Abscheu, Wahrheit und Heuchelei lassen sich kaum noch auseinanderhalten. Aufstieg und Fall eines Leichtgläubigen sind hier eindeutig programmiert.

Schon nach kurzer Laufzeit fällt auf, dass zwischen den Erfolgsmechanismen heute und denen vor rund 200 Jahren tatsächlich überhaupt kein Unterschied besteht: Schicksale werden gemacht, Erfolge gekauft und behauptet, Claqueure einbestellt, Verrisse wie Fallen aufgestellt. Im Zentrum des Interesses steht dabei immer der eigene Status und, natürlich, Gewinnmaximierung. Die Liebe zur (erschaffenen oder konsumierten) Kunst ist da eher drittrangig, und die Liebe zu einem anderen Menschen zu guter Letzt oft auch nur eine Währung. Diese Welt des schönen Scheins verspricht einen köstlichen, prickelnden Film!

Und die Schauwerte, die Talente stimmen. Sämtliche Rollen sind glänzend besetzt und geführt (Wirklich alle spielen auf Augenhöhe mit dem Routinier Depardieu). Die Bilder geben großes Kino her, das Handwerk ist hervorragend. - Doch ist es zu viel des Guten!

Eines der ersten gewichtigeren Worte der Hauptfigur in Anwesenheit der Kollegen im Redaktionsbüro ist, dass die Kunst des Erzählens von der Verknappung, ja der Auslassung leben sollte. Und genau die fehlt mir bei dem Film schmerzlich. Ständig spielt Musik auf, ständig wird geredet, permanent wird das Geschehen aus dem Off beschrieben und erklärt, meist sehen wir die Figuren von nah. Hier gibt es nichts mehr zu deuten, zu assoziieren, zu ahnen. 

Verlorene Illusionen spiegelt unsere heutige Welt der Korrumpierbarkeit und der Macht des schönen Scheins in der des 19. Jahrhunderts vortrefflich. Weit besser wäre der Film m.E. allerdings gelungen mit mehr Mut zur Dezenz und Andeutung.

cnm

Der Film wurde ausgezeichnet mit 7 Césars:
Bester Film, Bester Nachwuchsdarsteller, Bester Nebendarsteller, Bestes adaptiertes Drehbuch, Bestes Szenenbild, Bestes Kostümbild, Beste Kamera

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