SISI & ICH
SISI & ICH ★★★★★☆
Filmstart: 30.03.2023 | FSK 12
Deutschland, Schweiz, Österreich 2023
Genre: Historisch, Dramödie, RomanzeLänge: rund 130 Min. (langer Film)
Regie: Frauke Finsterwalder
Buch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
Buch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
Cast: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Stefan Kurt, Georg Friedrich, Sophie Hutter, Maresi Riegner, Johanna Wokalek, Sibylle Canonica, Angela Winkler, Markus Schleinzer, Anne Müller, Anthony Calf, Tom Rhys Harries
Kostüm: Tanja Hausner
Kamera: Thomas W. Kiennast bvk aac
Schnitt: Andreas Menn bfs
Kamera: Thomas W. Kiennast bvk aac
Schnitt: Andreas Menn bfs
Music Supervisor: Martin Hossbach
Musik: Matteo Pagamici
Musik: Matteo Pagamici
Sisi, die nicht mehr ganz so junge aber immer noch wunderschöne Kaiserin von Österreich empfängt Besuch auf ihrem Anwesen auf Korfu, einem Ort des (inneren) Friedens, einem Zufluchtsort vor einer Welt der Regeln und heteronormativen Sittsamkeit und Etikette. Gräfin Irma ist angereist, um sich als die neue Gesellschafterin Sisis' vorzustellen, nachdem die Vorgängerin die Kraft dazu verloren hat. Tatsächlich ist die Kaiserin überaus fordernd: in ihrer Parallelwelt ohne Männer (und ohne Dicke, wie sie selbst propagiert) gilt Aktionismus als hohes Gut, etwa in Form von sportiven Unternehmungen, Improvisationstheater oder der wohlüberlegten Art, die Figur zu halten. Begleitet wird das heitere Idyll vom (willkommenen) schwulen Cousin und von (gar nicht willkommener) Sippschaft wie etwa dem verhassten, herrischen Gatten Franz Joseph oder der gestrengen Mutter, die ihre Tochter zu mästen gedenkt.
Was großmäulig, kackfrech, fast wie eine Comedynummer 'rüberkommt, ist weit mehr als das. Nämlich der exakte Gegenentwurf zum schmonzettigen Bild einer rehäugigen Identifikationsfigur der 1950er Jahre (impersonalisiert von Romy Schneider); es ist die Frau, die die Zwänge und die Männer hasst und - vor allem - das Alt Werden. Es ist die, die Menschen gebraucht wie Taschentücher und stets im Begriff ist, sich jedweder Kontrolle zu entziehen, und für die damit ein Doppelleben unerlässlich ist.
Historisch unscharf bis frei erfunden, bietet diese exzellente Regiearbeit (mit der saukomischen Sandra Hüller und dem ihr ebenbürtigen restlichen Cast) ein episches Erlebnis, das zugleich Patina spüren lässt (wie etwa ein Knistern auf der Tonspur zu Beginn des Films) als auch einen aufrüttelnd heutigen, feministischen Blick auf die Geschichte bietet. Allein die ausgewählten musikalischen Unterlegungen aus dem Rock- und Pop-Genre sind schon konzeptionell preisverdächtig.
Historie als Kasperletheater, als Farce und formale Provokation - dabei tiefgründiger als die meisten Schinken, die sich "historisch" nennen - wird hier so köstlich aufgetischt, dass ich mir den Film jede Woche einmal anschauen könnte. Fabelhaft!
cnm
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