EIN SCHWEIGEN

EIN SCHWEIGEN ★★★★½☆

Originaltitel: Un silence | Filmstart: 13.06.2024 | FSK -

Emanuelle Devos | © Arsenal

Belgien, Frankreich 2023

Genre: Drama
Länge: 100 Min.

Regie: Joachim Lafosse
Buch: Joachim Lafosse, Thomas Van Zuylen, Chloé Duponchelle, Paul Ismaël, Sarah Chiche, Matthieu Reynaert, Valérie Graeven
Casting: Soone Hoang, Elsa Pharaon, Emilie Paris

Cast: Emanuelle Devos, Daniel Auteuil, Matthieu Galloux (début) u.a.
Kamera: Jean-François Hensgens, 
Schnitt: Damien Keyeux
Musik: Ólafur Arnalds

25 Jahre sind die Fehltritte des heute renommierten Anwalts François her, und alle, die involviert waren, haben seitdem geschwiegen. Vor allem die Ehefrau Astrid pflegte die Fassade makelloser Wohlanständigkeit. Doch aus Jugendlichen werden Erwachsene, und die eigenen Kinder stellen Fragen, entwickeln ein Gespür für nicht Gesagtes.

Ein überraschend zurückhaltender Film über die Frage nach Schuld und Verantwortung in einem bourgeoisen Mikrokosmos. Die Familie im Zentrum der Geschichte hat naturgemäß vor allem eines zu verlieren: Status, Komfort und Freiheit. Der Preis hierfür ist über Jahrzehnte gezahlt worden in Form von zurückhaltendem Schweigen (=Verdrängung), das die Betroffenen von innen zerfrisst. Lafosse zeigt auf beklemmende Weise, welche zerstörerische Macht ein solches Verdrängen und Ausblenden haben kann. Doch die Folgen vergangener Taten finden ihren Weg ins Hier und Jetzt wie Wasser - und verlangen nach Antworten. Fast schon perfide unterlegt der Regisseur die anfänglichen Sequenzen mit gefällig-beiläufiger Musik, die beinahe an Fahrstuhlmusik erinnert und eine heile Welt vorgaukelt. Genial konterkariert von Devos' Mimik, der man im Handlungsverlauf immer deutlicher ansieht, dass die Anwaltsgattin dem wachsenden Druck nicht standhalten wird.

Sie und Auteuil spielen mit bewundernswerter Zurückgenommenheit, gehen nie ins Pathos; bei diesem brisanten Thema ist das eine enorme (Regie-)Leistung. Auch der debutierende Matthieu Galloux als Sohn liefert solide ab und zeigt sich somit als vielversprechendes Talent. - Allein, die auffallend langsame Erzählweise gilt es anzunehmen, wenn nicht gar auszuhalten. Wenn dies gelingt, ist der Film ein Gewinn.

cnm