DIE KINDER AUS KORNTAL

DIE KINDER AUS KORNTAL ★★★★★
Filmstart: 26.09.2024 | FSK 12
© Salzgeber



Deutschland 2023
Genre: Dokumentarfilm
Länge: 90 Min.
Regie: Julia Charakter
Buch: Julia Charakter
Aussagende: die heute längst erwachsenen und schwerst traumatisierten Misshandelten
Kamera: Jonas Eckert

Schnitt: Julia Charakter
Musik: Leonard Küßner

Korntal, eine beschauliche Kleinstadt in Baden-Württemberg, wird zum Schauplatz eines der größten Missbrauchsskandale der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ab den 1950er Jahren wurden in den dortigen Heimen der pietistischen Brüdergemeinde Hunderte Kinder missbraucht: sie mussten Zwangsarbeit, körperliche Züchtigung und sexualisierte Gewalt über sich ergehen lassen. 2013 wird der Skandal öffentlich. Bis heute haben mehr als 150 ehemalige Heimkinder ihr Schweigen gebrochen, mehr als 80 Täter und Täterinnen konnten ermittelt werden. Die 9.000-Seelen-Gemeinde reagiert zunächst mit Zweifel und Ablehnung auf die Vorwürfe: Viele können oder wollen sich so etwas in ihrem christlichen Mikrokosmos nicht vorstellen. Doch der Druck auf die Brüdergemeinde, die bis heute die Kinderheime leitet, wächst. Ein Aufarbeitungsprozess wird initiiert, aber Vorgehensweise und Entschädigungssummen sind umstritten. Viele Betroffene bezeichnen diesen Aufarbeitungsprozess als Missbrauch nach dem Missbrauch. Sie kämpfen weiter um Gehör, Anerkennung, Respekt und Würde.

Julia Charakter gibt in ihrem Dokumentarfilm sechs Betroffenen Raum, ihre Geschichten en Detail zu erzählen und zu sagen, was der Aufklärungsbericht ihrer Meinung nach verschweigt. "Dem Film gelingt es, durch eine präzise Recherche der Filmemacherin und die erschütternden Aussagen der Opfer, das komplexe Bild eines systemischen, nicht enden wollenden Missbrauchs nachzuzeichnen", heißt es in der Jury-Begründung des DEFA-Förderpreises, mit dem der Film beim DOK Leipzig ausgezeichnet wurde. Das Schweigen in Korntal mag gebrochen sein, das Thema bleibt jedoch weiter hochaktuell.

Die Filmemacherin schafft mit ihrem Dokumentarfilm ein überzeugendes und (leider) fesselndes Sprachrohr für die Opfer von einst. Diese berichten in ruhigem Ton und so gefasst, wie es ihnen möglich ist, von den unerträglichen Geschehnissen sadistischer Übergriffe, psychologischer Grausamkeit und sexualisierter Gewalt - Langzeitmisshandlungen, die aus vielen von ihnen kaputte Erwachsene hat werden lassen. Dass seither auch Suizide erfolgten, wundert bei diesen Berichten nicht. Und tatsächlich ist der "Missbrauch nach dem Missbrauch" im Film deutlich präsent in Form von scheinheiligen Interviews von Entscheidungsträgern und sogar einem nicht selbst betroffenen Paar aus Korntal, das bisweilen anklingen lässt, irgendwann müsse es doch auch mal gut sein... Worte und Gesten wie schallende Ohrfeigen.

Dieses finstere Stück Erinnerung gehört meiner Ansicht nach von so vielen Menschen in Deutschland wie möglich angeschaut, vor allem von in Kirchengemeinden engagierten Gläubigen. Denn so wie damals das Verbrechen an Kindern von der Allgemeinheit nicht wahrgenommen wurde (!), so muss heute das Bewusstsein geschärft werden, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Den Betroffenen in die Augen zu sehen, ihnen zuzuhören und zu sehen, was von ihnen noch "übrig" ist, sollte dabei überaus hilfreich sein.

cnm 


Termine Kinotour
In Anwesenheit der Regisseurin

Berlin

fsk Kino
am Freitag, 27. September um 18:00 Uhr


Böblingen

Filmzentrum Bären
am Donnerstag, 10. Oktober um 19:00 Uhr


Frankfurt am Main

Mal Seh'n Kino
am Mittwoch, 2. Oktober um 17:30 Uhr in Anwesenheit des Kameramannes Jonas Eckert


Hamburg

Abaton
am Sonntag, 29. September um 15:00 Uhr


Köln

Filmhaus
am Donnerstag, 26. September um 20:00 Uhr


Ludwigsburg

Luna Lichtspieltheater
am Mittwoch, 9. Oktober um 19:00 Uhr


München

Monopol
am Mittwoch, 25. September um 18:30 Uhr mit Protagonist Detlev Zander


Münster (Westfalen)

Cinema
am Mittwoch, 25. September um 18:00 Uhr


Nürnberg

Casablanca
am Dienstag, 1. Oktober um 18:30 Uhr


Rottenburg am Neckar

Kino im Waldhorn
am Montag, 7. Oktober um 18:00 Uhr


Stuttgart

Atelier am Bollwerk
am Dienstag, 24. September um 18:15 Uhr


Tübingen

Museum Lichtspiele
am Dienstag, 8. Oktober um 18:00 Uhr


Würzburg

Central im Bürgerbräu
am Mittwoch, 2. Oktober um 18:00 Uhr


Kommentare

Beliebte Posts der letzten 30 Tage

Interims-Dokument 2024 (November/Dezember)

THE ART OF LOVE

HERETIC

RICH FLU

PROBLEMISTA

UNDER THE SILVER LAKE

DIE HEINZELS - NEUE MÜTZEN, NEUE MISSION

DER SPITZNAME

RIEFENSTAHL

THE KILL ROOM