MEMOIREN EINER SCHNECKE

MEMOIREN EINER SCHNECKE ★★★★★
Originaltitel: Memoir of a Snail | Start: 24.07.2025 | FSK 12
Grace und Pinky | © capelight pictures



Australien 2024

Genre: Animation, Drama
Länge: 95 Min.
Regie: Adam Elliot
Buch: Adam Elliot
Casting: Jane Norris
Cast (englisch): Sarah Snook, Jacki Weaver, Kodi Smit-McPhee, Magda Szubanski, Bernie Clifford, Tony Armstrong, Eric Bana, Nick Cave u.a.
Cast (deutsch): Luisa Wietzorek, Luise Lunow, Konrad Bösherz, Anna Dramski, Gerald Schaale, François Smesny, Harald Effenberg u.a.
Kamera: Gerald Thompson
Schnitt: Bill Murphy
Musik: Elena Kats-Chernin

Leben ist Schmerz. Das weiß niemand besser als Grace Pudel, die uns in Memoiren einer Schnecke ihre Lebensgeschichte erzählt. Schon früh verlieren sie und ihr geliebter Zwillingsbruder Gilbert die Mutter und leben fortan mit dem querschnittsgelähmten, trinkenden Vater. Aber es kommt noch schlimmer: nachdem auch der Vater verstirbt, werden die beiden Zwillinge getrennt und am jeweils anderen Ende Australiens in verschiedenen Familien untergebracht. Durch die Briefe ihres Bruders erfährt Grace, dass es Gilbert nicht gut getroffen hat in einer orthodoxen Glaubensgemeinschaft, in der er alles Lebendige in sich zu unterdrücken hat und eher als Arbeitstier eingesetzt wird. Grace wächst heran, hat aber keinen Mut mehr und zieht sich vollkommen in sich zurück, sammelt Zeug (vornehmlich Schnecken!) und harrt aus. Licht in diese Finsternis bringt dann endlich ihre neue Freundin Pinky, eine schrille ältere Dame, die macht, was sie will und dabei enormen Spaß hat. Und vielleicht steht für die inzwischen erwachsene Grace auch noch das Wunder der Liebe ins Haus...

Mit seinem neuen abendfüllenden Stop-motion Spielfilm, konsequent handgemacht ohne digitalen Schnickschnack, legt das independent Genie Adam Elliot ein weiteres Schwergewicht vor, formal wie inhaltlich. Seine Ästhetik folgt so gar nicht dem allgemeinen Konsens, Trickfilme müssten bunt und fröhlich sein; vielmehr schafft er einen erfrischenden filmischen Sonderling in gedeckten Farben (oft in Sepia-Braun-Grau-Schwarz) und mit demolierten, deprimierten Gestalten. Trotzdem halten die bestens als Identifikationsfiguren her, denn sie alle sehnen sich nach Licht, Glück und Freiheit, und wir spüren, wie sie selbst in den ausweglosesten Situationen innerlich einen Traum verfolgen - wie etwa dem der Wiedervereinigung (hier: der Geschwister) oder einem beruflichen Traum (köstlich ausgedacht, wird hier aber nicht verraten).

Die Figur der alten Dame Pinky ist ein beglückendes Pendant zu Maude aus Harold and Maude (USA 1971, R.: Hal Ashby), eine, die weiß, dass wir nur ein Leben haben und immer die Möglichkeit, es voll auszukosten nach unseren eigenen Vorstellungen. Tja, und was sich Regisseur Elliot mit seiner Erzählung darüberhinaus erlaubt, ist nichts Weniger als ein fetter Tritt in den Allerwertesten eines bigotten und verlogenen, homophoben und sexistischen, ja inhumanen Amerika. Erfreulich vor diesem Hintergrund, dass Memoir of a Snail 2025 immerhin für den Oscar nominiert war.

Mit diesem kleinen Wunderwerk geraten Sie in einen Strudel aus Emotionen, werden konfrontiert mit der Finsternis und Bitterkeit des Lebens, aber keineswegs ohne Hoffnung auf echtes Glück entlassen. Im Gegenteil!

cnm 

PS: Wegen der vielen liebevollen Details muss dieser Film unbedingt auf der großen Leinwand erlebt werden!

Querverweis auf den genialen Vorgänger Mary & Max (USA 2009, R.: Adam Elliot)

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