AUSSERDEM IM OKTOBER 2025
MOMO | A BIG BOLD BEAUTIFUL JOURNEY | TRON: ARES | ZIRKUSKIND
Deutschland 2025 | Abenteuer, Fantasy, Kinder
R/B.: Christian Ditter | Nach: Michael Ende
D: Alexa Goodall, Martin Freeman, Araloyin Oshunremi, Kim Bodnia, Claes Bang, Laura Haddock u.a.
92 Min. | V.: Constantin
Das Waisenmädchen Momo lebt in den Ruinen eines alten römischen Amphitheaters und hat ein offenes Ohr für jeden in der Nachbarschaft. Sie ist arm, fühlt sich mit ihren vielen Freundschaften aber gut aufgehoben im Leben. Am liebsten verbringt sie die Tage mit ihrem besten Freund Gino. Als ein mächtiger internationaler Konzern beginnt, die Zeit aller Menschen mittels perfider Trickserei zu entwenden, hat plötzlich niemand mehr Zeit für das Mädchen - noch nicht mal Gino! Momo verzweifelt. Die weise Schildkröte Kassiopeia weiß Rat: sie führt Momo zu Meister Hora, dem Hüter der Zeit. Gemeinsam wollen sie es mit den Zeit-Dieben aufnehmen – doch wird ihr Plan aufgehen?
Meines Erachtens hat die Verfilmung des Jugendbuch-Klassikers von Michael Ende (erschienen 1973) einen deutlichen Vor- und einen signifikanten Nachteil. Zunächst ist die Verfilmung bunt, glatt, temporeich und unterhaltsam gemacht, ebenso wurde die laute Kritik am neoliberalen Kapitalismus geschickt in unsere Wirklichkeit übersetzt (hier: Allmacht neuer Überwachungsmöglichkeiten, die von der Mehrheit absurderweise gern akzeptiert und angewendet wird). Diese Aktualisierung war unumgänglich, ja sogar nötig. Der Nachteil: erzählerisch fehlt die Ruhe, es fehlt die Kontemplation, und damit befeuert die Geschichte ihr eigenes Anliegen in bedauerlichem Maße, weil nicht ausreichend Zeit (!!) für eigene Gedanken gegeben ist. Im Ergebnis, so vermute ich, werden die Kinder und Jugendlichen sich gut unterhalten fühlen und nach Verlassen des Kinos sogleich wieder alles vergessen (also nichts mitnehmen), während sie sich mit ihren Smartphones, Tablets und Konsolen beschäftigen. - Ergo: die Herren in Grau haben gewonnen.
A BIG BOLD BEAUTIFUL JOURNEY
USA, Irland 2025 | Drama, Fantasy, Romantik
R.: Kogonada | B.: Seth Reiss
D.: Margot Robbie, Colin Farrell u.a.
V.: Sony | 109 Min. | FSK 6
Manche Türen bringen dich zurück in deine Vergangenheit. Manche Türen führen dich in deine Zukunft. Und manche Türen verändern alles. Die beiden Singles Sarah und David treffen sich zum ersten Mal auf einer Hochzeit und begeben sich anschließend, dank einer sonderbaren Fügung des Schicksals, zusammen auf eine große, gewagte und grandiose Reise – auf ein witziges, fantastisches und mitreißendes Abenteuer, bei dem sie nicht nur gemeinsam in ihre jeweilige Vergangenheit eintauchen. Sie erkennen auch, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie heute sind und dass sie vielleicht eine Chance erhalten haben, ihre Zukunft zu verändern.
Der kleine, süße Irrsinn in diesem Film erinnerte mich stark an Punch-Drunk Love (2003, R.: Paul Thomas Anderson). Doch während Vorgenannter mit bescheidenen Mitteln echte Kino-Magie erzeugt, geht es bei Big Bold Beautiful Journey zwar entschieden surrealer, ja fantastisch zu, doch wirkt die Magie eher vordergründig und wie ein Selbstzweck. Die vielen Zeitebenen, Ortswechsel und schicksalhaften Rückblenden verschmelzen m.E. letztlich nicht zu einem stimmigen großen Ganzen, sondern gesellen sich lose zueinander und bleiben bis zum Ende eine Art Gedanken- oder Kreativchaos, das mich ratlos macht. Hübsch anzusehen ist dieser Irrgarten schon, ein großer cineastischer Wurf allerdings auch nicht.
09. Oktober
USA 2025 | Sci-Fi, Action
R.: Joachim Rønning
D.: Jared Leto, Greta Lee, Evan Peters, Jeff Bridges u.a.
V.: Walt Disney Germany | 119 Min. | FSK 0
3. Teil der Reihe nach Tron und Tron: Legacy
Im neuen Cyberspace-Abenteuer wird der Spieß umgedreht: nicht mehr Menschen hacken sich in die digitale Welt und bestehen dort ihre Abenteuer, sondern Digi-Programme materialisieren sich zu zerstörerischen Maschinen. Einziges Problem: ihre kurze (über)Lebensdauer von nur 29 Minuten. Das vielversprechendste Modell ist der materialisierte Soldat Ares. Sobald das Problem mit der Langlebigkeit gelöst ist, ist klar, dass der neue Konzernchef Julian Dillinger das Sagen hat. Doch das know-how ist noch in Händen der Rivalin Eve Kim - auf die Ares nun angesetzt wird.
Ich bin nicht wirklich durchgestiegen, das war mir aber auch nicht so wichtig. Wichtig war mir der Adrenalinfaktor und das Gefühl, den Vibe der 1980er mit heutigen technischen Möglichkeiten in Kombination voll genießen zu können. Alle, die in den 80ern Teens waren, werden mich verstehen. Audiovisuell, will ich sagen, ist der Film jenseits vom was-auch-immer Storytelling ein sehr probater Popkorn-Leinwand-Genuss. Pardon, dass ich hierzu nicht viel Sinnigeres beizutragen habe.
ZIRKUSKIND
Deutschland 2024 | Kinder-Doku
R.: Julia Lemke, Anna Koch
V.: Across Nations | 86 Min. | FSK 0
Der deutsche Circus Arena ist ein Familienunternehmen mit langer Geschichte. Seit bald 200 Jahren begeistert die Familie Frank samt Mitarbeitenden in den Städten, die sie besucht, ihr Publikum mit kleinen und großen Sensationen: mit Akrobatik, Clownerie und Tierdressuren - wobei auf den Einsatz von Wildtieren verzichtet wird. In ihrer kindgerechten Doku nimmt das Regie-Duo Lemke/Koch die Perspektive eines der Jüngsten ein, des Urenkels des Direktors. Santiago führt uns durch seine Welt, wir lernen, was es bedeutet, immer unterwegs zu sein, in jeder Stadt Freunde zu finden und gleich wieder verabschieden zu müssen, ständig die Schulen zu wechseln, einen artistischen Weg für sich zu finden und schon früh wie ein Erwachsener mit anpacken zu müssen. Dem Kind am nächsten steht der liebende Ur-Opa (den er Opa nennt), der dem Kind (und damit uns) viele Geschichten von früher erzählt. Hier erfahren wir viel über die Anfänge des Wanderzirkus, die schweren Verluste während der Nazizeit, die lange Freundschaft zu einem besonderen Elefanten und vieles mehr. Unterfüttert werden die Erzählungen mit naiv gehaltenen Animationssequenzen, die auch schwer Verdauliches respektvoll und angemessen vermitteln.
Diese Kinder-Doku richtet sich tatsächlich an Kinder, und das meine ich nicht nur positiv. Der Impetus einer heilen Welt wirkt oft ein wenig erzwungen, Gesagtes wie für die Kamera (auf)gesagt, Problematisches kaum ausreichend beleuchtet. M.E. darf man (und sollte sogar) Kindern auch kritisches Denken zutrauen. So bleiben den Kids in diesem Zirkus kaum Möglichkeiten, sich wirklich zu bilden, eine Lebensperspektive außerhalb des gegebenen Rahmens auch nur zu denken ("Du musst dein Talent finden, etwas, was du den Leuten bieten kannst" heißt es in etwa in mehreren Gesprächen - übersetzt: du hast bei uns zu bleiben). Kinder interessieren sich für Details! Was ist mit den Lebensbedingungen der im Wanderzirkus gehaltenen Tiere? Kein Wort, kaum ein Bild dazu - außer natürlich den romantisch verklärten Geschichten des Opas über den längst verstorbenen Elefanten, der fünfzig wurde und friedlich verstarb.
Will sagen: für Kids ist diese Doku im allgemeinen Gestus natürlich passend (und wurde auch bei den Berliner Filmfestspielen in der Sektion Kplus lobend erwähnt), doch ist sie m.M.n. nicht komplex genug, vage und recht lose zusammengewürfelt und damit eher geeignet, um Gespräche und weitere Recherchen zum Thema anzuregen.
DEPECHE MODE: M
Mexiko, Großbritannien 2025 | Konzert-Doku, Special Event
R.: Fernando Frias
95 Min. | V.: LUF Kino
Konzipiert und inszeniert vom preisgekrönten mexikanischen Regisseur Fernando Frías, ist DEPECHE MODE: M ein ausdrucksstarkes und dynamisches Kinoerlebnis, das auf Aufnahmen der drei ausverkauften Shows der legendären Synthie-Pop-Band im Foro Sol Stadion in Mexiko-Stadt während der Memento Mori Tour 2023–2024 basiert. Der abendfüllende Film nimmt das Publikum mit auf eine musikalische und spirituelle Reise, während die Songs in Echtzeit mit den Fans mitschwingen. Dabei werden sowohl der zeitlose multikulturelle Einfluss der Band als auch die tiefe Verbindung zwischen Musik, Vergänglichkeit und mexikanischer Tradition spürbar.
Leider habe ich das Konzert nur übern Rechner gesehen, aber selbst mit diesem uncoolen Medium sprühten die Funken! Einmal ist die Abfolge der Stücke (einige kamen mir tatsächlich unbekannt vor - Schande!) absolut organisch - stimmig kuratiert, des Weiteren macht die Band um Leadsänger Dave Gahan und den kongenialen Martin Gore wenig Aufhebens: sie leben den Geist dieser Show, ihrer Musik. Konkret meine ich damit die Mystik um es essentiellste aller Themen: Leben und Tod. Wenn Gahan (der schon einmal klinisch tot gewesen ist) immer und immer wieder über die Bühne fegt, sich um sich selbst drehend wie im Fluge, wenn Bilder zu Ehren des 2022 verstorbenen Andrew Fletcher von den Wänden leuchten und im Publikum endlos viele Bilder hochgehalten zu seinen Ehren, wenn Gore engelsgleich solistisch anstimmt, ist es ein Leichtes, selbst abzuheben.
Memento Mori: "Bedenke, dass du sterben musst". Es kann keine erhabenere Form geben, das Leben zu feiern.
cnm




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