AUSSERDEM IM NOVEMBER 2025
UNTEN - IM ORTSVEREIN | MAKE ME FEEL | PATERNAL LEAVE
06. November
Deutschland 2025 | Doku
R.: Jan-Christoph Schultchen
V.: barnsteiner-film | 80 Min. | FSK 6
Jeder Demokratie ist immanent, dass sie sich selbst abschaffen kann. Dieser Fakt wird allzu gern ausgeblendet, die Freiheit der Wahl für allzu selbstverständlich gehalten und antidemokratische Kräfte erblühen erneut, wie derzeit zu beobachten ist. In seiner Doku über Strukturen und den Kampf gegen rechts seitens der etablierten und jungen Sozialdemokraten veranschaulicht Jan-Christoph Schultchen, wie mühsam und ernüchternd die Arbeit an der Basis ist, dass es andererseits jedoch auf die vielen Mithelfenden, freiwilligen Kräften von dort elementar ankommt. Und zwar nicht - wie in einem O-Ton betont wird - in Form von Menschen, die als Fußvolk Flyer verteilen, sondern als echte, Meinung bildende und (selbst)kritische Instanz.
Zwar ist die filmische Form dieser Doku wie aus den Fugen und total konfus (ständig wird ein Bild nach flächendeckendem Rot geblendet, O-Töne kommen schwer verständlich mit Raumhall, unter Gesprächsfragmente wird sinnfrei Musik bzw. Percussion gelegt, als hätten sie eine Form von Belebung nötig, Konferenzen werden im Schnitt bis zur Null-Aussage zerhackstückt...), doch dieses fette Manko wird mehr als ausgeglichen durch beglückend scharfsichtige Darlegungen der meist sehr jungen Sozis, die uns die Lust und den Frust am Politikmachen sowie das größte (vielmehr: das eigentliche) Dilemma der eigenen Partei erläutern. - Der Dokumentarist hätte gut daran getan, diesen wachen Geistern mehr Raum zu gönnen.
Ich verorte diese ambitionierte aber wacklige Arbeit eher in den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen Sender als im Kino. Hier würde sie sicher viel eher das junge Zielpublikum erreichen.
13. November
MAKE ME FEEL
DE, IT, AT, ES 2025 | Abenteuer, Sci-Fi | FSK 16
R.: Michael David Pate, Timur Örge (Debüt)
B.: Laura Sommer, Erkan Acar, Timur Örge, Michael David Pate
D.: Erkan Acar, Charleen Weiss, Ronald Nitschke, Franziska Machens, Lotta Herzog, Ömer Filikci u.a.
99 Min. | V.: Alpha Centauri Studios
Sci-Fi-Liebesgeschichte, die von der jungen Mutter Ella Savas erzählt. Durch ein bahnbrechendes wissenschaftliches Verfahren erhält sie die Chance, in die Traumwelt ihres im Koma liegenden Ehemanns Tito einzutauchen. Ihr Ziel: Tito zu wecken und eine zweite Chance für ihre Familie zu bewirken. Im Laufe des Films durchlebt sie an die fünf Abenteuer der unterschiedlichsten Genre - dabei ist die große Herausforderung, ihren Mann zu emotionalisieren, ohne ihm zu verraten, dass all diese Abenteuer nur geträumt sind. Im Laufe dieser Abenteuer, die für sie vielmehr eine nervenzerfetzende Prüfung darstellen, riskiert sie streckenweise sogar ihr eigenes Leben - denn auch im Schlaf ist der Körper angreifabar!
Es ist höchst bedauerlich, dass bei einer so interessanten Prämisse und sichtbar großem, liebevoll betriebenem Aufwand ein solch problematischer Film herausgekommen ist. Sämtliche Vorgänge und Wendungen wirken wie die Abhandlung der abgedroschensten Genre-Klischees - vom Piraten- über den Western bis hin zum Gangsterschinken. Die Figuren sind eindimensional, das Spiel der meisten Darstellenden wenig überzeugend, und der Schnitt hat dem gesamten Filmgebäude auch nicht wirklich auf die Füße geholfen. Diesen Film zu sehen war mir offen gesprochen eine rechte Qual. Doch ich hoffe und wünsche sehr, dass die MacherInnen des Abenteuers ein nischiges Publikum und Wertschätzung für all die investierte Arbeit satt zurückbekommen.
27. November
PATERNAL LEAVE - DREI TAGE MEER
DE, IT 2025 | Spielfilm | FSK 12
R./B.: Alissa Jung (Debüt)
D.: Luca Marinelli, Juli Grabenhenrich u.a.
117 Min. | V.: eksystent filmverleih
Leo will es wissen: sie belügt ihre Mutter und steigt in den Zug nach Norditalien. An der Küste sucht sie ihren leiblichen Vater auf, den sie noch nie kennengelernt hat und der sich damals aus der Verantwortung gezogen hatte. Inzwischen hat er eine neue Familie und zeigt sich nicht eben integer oder großzügig. Leo versorgt ihre Mutter weiterhin mit Nachrichten - angeblich vom Geburtstag einer Freundin -, während sie drei Tage mit dem Fremden verbringt, um ihm Fragen zu stellen, ihm näher zu kommen. Doch das ist nicht so einfach wie erhofft.
In ihrem Debütlangfilm zeigt Alissa Jung Talent für atmosphärische Bilder und vernünftige Schauspielführung: die Figuren wirken lebendig und glaubwürdig. Mir persönlich fehlt allerdings sowohl in vielen Szenen als auch in der gewählten Dramaturgie der Schub, so etwas wie eine Erzählökonomie (und damit meine ich natürlich keine Hektik). Allzu oft und allzu lange wird gesessen und gestanden und bedeutungsvoll in die Ferne geschaut, ohne dass die Handlung vorangetrieben würde. Das hat mir den Genuss arg erschwert. M.E. zu spät wird das Figurenkarussell angereichert und die Handlung interessanter, gewinnt an Energie und Dynamik -etwa mit einem jungen Mann, den Leo trifft und der sich als Leidensgenosse entpuppt oder der aktuellen Partnerin und Tochter des Mannes (beide entzückend und auch die besseren Identifikationsfiguren). Dankbar kann man der Regisseurin in jedem Fall dafür sein, dass sie uns keine leichten Antworten und erst recht kein unnötig zuckriges Ende der Tochter-trifft-Vater-Story auftischt.
cnm



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