IRDISCHE VERSE

IRDISCHE VERSE ★★★★★★
Originaltitel: Ayeh haye zamini | Filmstart: 11.04.2024 | FSK 6
Hossein Soleymani | © Neue Visionen Filmverleih



Iran 2023
Genre: Satire, Essay
Länge: 77 Min.
Regie: Ali Asgari, Alireza Khatami
Buch: Ali Asgari, Alireza Khatami
Cast: Bahram Ark, Arghavan Shabani, Servin Zabetian, Sadaf Asgari, Faezeh Rad, Hossein Soleymani, Majid Salehi, Farzin Mohades, Gouhar Kheir Andish, Ardeshir Kazemi
Sound Design: Alireza Alavian
Kamera: Adib Sobhani
Schnitt: Ehsan Vaseghi

In einer lang stehenden Totalen, einem Blick auf Teheran in der Morgendämmerung, werden wir auf das eingestimmt, was auf uns zu kommt. Denn das graublaue, dumpfe Tageslicht wirkt fast betrüblicher als die Nacht, in der man wenigstens sicher sein kann, dass es dunkel ist.
Die Regisseure stellen uns in neun Tableaus (oder: Strophen) vor, was Alltag für sie bzw. ihre LeidensgenossInnen im Iran bedeuten kann. Vor der Kamera stehen oder sitzen ganz normale Leute jeden Alters mit ihren ganz normalen Anliegen: sie wollen dem Neugeborenen einen Namen geben, ihren Führerschein oder das existenzsichernde Auto zurück, sich einer unfairen Anschuldigung erwehren, Arbeit finden, Kleidung kaufen und so weiter... doch das totalitäre System findet sein Sprachrohr in den Gegenübern, die wir nicht zu sehen bekommen: der Schulleitung, der Verkäuferin, dem möglichen Chef, den BeamtInnen in den Behörden - in jenen, die sich so strikt und lässig an die Vorschriften halten, dass sich eine Wand aus schwarzem Humor wie von selbst hochzieht.

Durch die Abhängigkeiten vom System wird hier ein steter und penetranter Übergriff ins Privateste und Persönlichste (hauptsächlich die Religion) offenbar, bis hin zur körperlichen Selbstbestimmung der Bittstellenden. ("Wenn Sie Ihren Führerschein zurück haben wollen, muss ich schon all Ihre Tattoos mit eigenen Augen sehen. Ausziehen bitte!"). Das ist auf der einen Seite aberwitzig, doch je mehr Szenen dieser Art verdaut sind, desto deutlicher wird, dass es sich hier kaum um Übertreibung, sondern um die saubere Abbildung grotesker Verhältnisse handelt, in denen sich das Individuum permanent einer massiven Beschränkung und Drangsalierung erwehren muss. Eine bittersüße Unterhaltungspille...

In ihrer leisen, zurückhaltenden und scheinbar unaufgeregten Art hat diese Arbeit die Wirkung eines Vergrößerungsglases und darüberhinaus eine enorme politische Sprengkraft. Ich ziehe alle Hüte und wünsche dem Film ein großes Publikum!

cnm 

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