QUEER EXILE BERLIN

QUEER EXILE BERLIN ★★★★★
Filmstart: 18.04.2024 | FSK 12
Jean-Ulrick Désert | © missingFilms



Deutschland 2023
Genre: Dokumentarfilm
Länge: 105 Min.
Regie: Jochen Hick
Buch: Jochen Hick
Mit: Eunice Franco, Monika Tichy, Haidar Darvish, Mischa Badasyan, Jean-Ulrick Désert, Gloria Viagra, Alyha Love
Kamera: Jochen Hick, Lutz Reitemeier
Schnitt: Thomas Keller

Ein Dokumentarfilmprojekt über Berlin als selbstgewähltes Exil für queere Menschen, das auch die Wandlung Berlins in den letzten Jahrzehnten skizziert. Es ist der dritte Teil der der Berlin-Dokumentarfilm-Trilogie nach OUT IN EAST-BERLIN (2013) und MY WONDERFUL WEST BERLIN (2017) von Jochen Hick.

Queer, schwul, trans, lesbisch, bi, Feministin zu sein... ist heute doch kein großes Ding mehr, würden manche sagen. Diese Aussage ist falsch.
Berlin ist seit langem eine Art Sammelbecken oder auch Zufluchtsort für jene, die anderswo (und das kann schon schlappe 150 km östlich von Berlin bedeuten) angegriffen, entmenschlicht, totgeschlagen werden. An diesen Orten benötigt es enormen Mut, zu sich selbst zu stehen, wenn du - wie beispielsweise Eunice Franco - gerade im Transformationsprozess vom Mann zur Frau bist. Oder wenn du - wie Haidar Darvish - als Mann auf Männer stehst. Nicht selten hat das den Bruch mit der eigenen Familie zur Folge.

Hick folgt in seiner Dokumentation seinen ProtagonistInnen und lässt sie en Detail von ihren aktuellen Prozessen der Wandlung oder des Aufbegehrens erzählen, von ihrem Blick auf eine trans-, homo- oder queerfeindliche Welt, ihren Kampf um ein freies, glückliches Leben. In dem Zusammenhang ist besonders bemerkenswert, dass einer von ihnen klar festhält, es sei schwer, innerhalb der so genannten Community so etwas wie Nähe oder Verbindlichkeit zu finden: der Fokus darauf, um jeden Preis individuell sein zu müssen, brächte eine Vereinzelung mit sich. Absurd genug!

Vielschichtig sind die Problemsituationen, abhängig von Herkunft, vom Migrantenstatus ("kein Spaß"), dem Geschlecht, dem Outfit, den gelebten Leidenschaften... und benso verschieden sind die Perspektiven auf das Leben als queere Person nach Stonewall (erstes schwules Aufbegehren 1969 in New York), über die massiven Traumata HIV und Aids und schließlich die Pandemiejahre bis heute, und es sind die heute jungen queeren Menschen, die weg wollen vom Schubladendenken, die sich nicht mehr binär definieren wollen.

Dank dieser komplexen Dokumentation wird überdeutlich, dass der Kampf um ein freies, selbstbestimmtes Leben vor allem außerhalb Berlins ein ebenso harter wie langwieriger sein wird, der die Kraft und Courage von Generationen erfordert.

Ich persönlich möchte das Augenmerk auf ein wichtiges Detail lenken: die hier gezeigten Personengruppen und Persönlichkeiten sind ungewöhnlich bunt, fröhlich und nachdenklich, extrem reflektiert und vor allem liebevoll und friedlich.
Die Bedrohung, für die so viele sie halten, ist nicht in einem Bild zu erkennen. Alle Gewalt, Beleidigung und Aggression geht allein vom Umfeld, also absurderweise von den Mehrheiten aus. Nähmen diese sich ein Beispiel an den Porträtierten, wäre die Welt mit etwas Glück ein friedlicher Ort.

cnm 

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