AUSSERDEM IM AUGUST 2025
TRAMPEN NACH NORDEN | SOLDATEN DES LICHTS | HOLLYWOODGATE - EIN JAHR UNTER DEN TALIBAN | DER KUSS DES GRASHÜPFERS | NOBODY 2 | AFTERBURN | DIE GANGSTER GANG 2 | BRIDE HARD
07. August
Coming of Age | DDR 1977 (Wiederaufführung)
R.: Wolfgang Hübner | B.: W.Hübner, Eberhard Borkmann, Wera und Klaus Küchenmeister
D: Axel Kaboth, Silvia Mißbach, Herwart Grosse, Wilfried Glatzeder, Otto Mellies u.a.
V.: Der Filmverleih | 76 Min.
Der 15-jährige Gunnar macht allein die Strecke von Berlin nach Rostock, um seinem Bruder dessen vergessenen Seesack zu bringen. Unterwegs trifft er Teresa, ein wohlerzogenes Mädchen, das in ein Ferienlager unterwegs ist. Gemeinsam trampen sie durch die DDR, diskutieren miteinander, begegnen außergewöhnlichen Menschen und erleben zahlreiche Abenteuer, die sie Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen lehren. Ihre Reise wird zur Erfahrung des Erwachsenwerdens.
Diese DDR Produktion, die nun noch einmal auf Leinwand zu bestaunen ist, stellt auch für uns Zuschauende eine Reise dar: in die DDR der 70er, in eine ganz andere Art, Filme zu machen, in ein ganz anderes Menschenbild (und damit meine ich das Zeitfenster, eines, in dem es noch keine Mobilfunk-Pest gab, in der sich Menschen miteinander unterhalten konnten, ohne davon an den Rand ihrer nervlichen Belastbarkeit zu geraten). Zunächst wirken die Szenen ein wenig naiv und simpel, sprachlich werden etliche Schubladen gezogen (bist du Konformist, Sozialist, Arbeiter usw.?) - doch das gibt sich. Von Szene zu Szene wird die Geschichte interessanter, die pubertär erotische Annäherung zwischen den beiden Teens (und es geht nicht um Sex) spürbarer, das intellektuelle Spannungsfeld offensichtlicher.
Mit jeder weiteren Begegnung, einer kurzfristigen Trennung, einer stillen, aber sehr romantischen Nacht im Heu unter freiem Himmel... schließen wir die beiden ins Herz und lernen sie Stück für Stück besser kennen, so wie sie einander und sich selbst. Trampen nach Norden ist aus heutiger Sicht kein reiner Ostalgie-Film, sondern darüberhinaus ein Stück Filmgeschichte und bietet die schöne Gelegenheit, sich für eine Filmlänge diese unbedarftere, aufgeräumtere - jedoch nicht minder kontroverse (cinéastische) Lebenswirklichkeit zu gönnen.
14. August
R.: Julian Vogel, Johannes Büttner
V.: Four Guys Film Distribution | 108 Min.
Die beiden Dokumentaristen lassen uns eintauchen in eine andere Lebenswelt, nämlich die der Befürworter eines Königreichs Deutschland. Ihnen wichtig sind fleischlose Rohkost-Ernährung (die Frontfigur nennt sich Dr. Raw), ein diszipliniertes, sportliches Leben, das Gott zu- und dem Satan abgewandt ist sowie - das scheint oberstes Prinzip zu sein - verlorene Seelen zu retten. Hierfür stehen u.a. selbsternannte, vermeintlich kompetente Heiler zur Verfügung. Die kümmern sich gern um alles von Krebserkrankungen bis zu Psychosen. Zentrales Beispiel für einen zu Rettenden ist Timo M., den wir im Laufe der Doku oft beobachten dürfen. Er geriet während der Corona-Krise in eine persönliche, aus der es kein Entkommen zu geben schien. In dieser neuen Szene, die mit den Reichsbürgern und der AfD verbandelt ist*, hoffte er auf Rettung. Was er aber offensichtlich erfuhr, war die schlichte Ausbeutung als Ameise mit vermeintlicher Vaterfigur. Völlig unübersehbar ist, dass Timo in ungelogen jeder einzelnen Szene aussieht wie ein vager Schatten seiner selbst, während ihm Dr. Raw erläutert, welch sensationellen Fortschritte er gemacht habe, und dass er ein Krieger des Lichts sei. De facto bekommt der jedoch für 8-10 Stunden tägliche Arbeit etwas zu Essen und einen Schlafplatz...
Mit ihrer Entscheidung, schlicht das Geschehen einzufangen und selbst nicht zu werten, haben die Regisseure uns einen großen Gefallen getan. Denn auf die Art kommt der Wahnsinn einer Gemeinschaft, in der zumeist die Frauen in der Küche arbeiten, LGBTQ-Leute als verrückt gelten, der Holocaust anzuzweifeln und die Erde eine Scheibe ist (kein Witz!) mit voller Wucht an die Oberfläche. Gelegentlich blitzt auch durch, in welch abstoßend jovialen Manier hier seitens der Macher extreme finanzielle Gewinne eingefahren werden, von denen sie sich dann Häuser und Nobelkarossen gönnen. In der Zwischenzeit verliert jemand wie Timo zusehends an Kraft und innerem Licht...
Ich gestehe: so wertvoll ich diesen Einblick finde - mir wurde schlecht von dem, was ich gesehen und gehört habe. Und das Schlimmste ist, dass der Neoliberalismus, in dem wir konsensuell leben - in dem sich Arbeit nicht mehr lohnt und Fronten sich immer weiter verhärten, weil Dialog kaum noch gelingt - genug Unglückliche produziert, um sie solchen Gruppierungen in die Arme zu treiben.
Wann werden die, die haben, endlich begreifen?
---------------------------------------------------------------------------------------
*Zitat: "Rechts kommt ja von Recht, links kommt von link".
V.: CineGlobal | 91 Min. | FSK 16
So verbleibt eine Interpretation des Gezeigten allein bei uns. Und was wir erleben dürfen, ist ein Haufen unkoordinierter, ungebildeter Holzköpfe, die sich an kleinsten logistischen und intellektuellen Herausforderungen (wie etwa simplen Rechenaufgaben) abarbeiten und die dies kompensatorisch mit Allmachtsfantasien, Unterdrückung der Frau als solcher (Verschleierungsgebot, Ausgangssperren...) und dem konsequenten Terrorisieren des ganzen Landes (Wiedereinführung der Todesstrafe etwa) "ausgleichen". Es wäre lustig, wenn es nicht so grauenhaft wäre.
Mit seinem mutigen und wichtigen Projekt untermauert Ibrahim Nash'at Hannah Arendts Theorie von der Banalität des Bösen. Tatsächlich wirken die hier gezeigten Hergänge eher harmlos, die Protagonisten fast ein wenig wie ein paar gewöhnliche Typen, die ihr Ding durchziehen (Logisch, sie waren sich der auf sie gerichteten Kamera stets bewusst und erwarteten als Ergebnis einen Image-Film).
Hollywoodgate - Ein Jahr unter den Taliban ist ein weiterer, tief blickender und wertvoller Beitrag in der Reihe von Dokus zu unterdrückerischen Systemen wie Nawalny, Von Vätern und Söhnen oder Am Rande der Demokratie. Ihm gebührt alle Achtung und Aufmerksamkeit.
21. August
R./B.: Elmar Imanov | D.: Lenn Kudrjawizki, Michael Hanemann, Sophie Mousel
V.: Neue Visionen | 128 Min.
Ein Schriftsteller sieht sich konfrontiert mit den schweren Themen menschlicher Existenz: mit der Vergänglichkeit der Liebe und des Lebens. Mit seiner Partnerin gibt es zum Ende der Beziehung eigentlich nur noch Streit, der Vater wird hinfällig und muss sich einer finalen Diagnose stellen. Die hartnäckige Depression des Autoren macht diese Odyssee nicht eben leichter. Durch die Szenen mäandern diverse Tiere, traumgleich und symbolträchtig.
Das Label "kafkaesk" drängt sich hier natürlich auf, ist aber in dem Fall nicht zwingend ein Qualitätssiegel. Zwar gelingt die Fotografie makellos, spielen die Hauptdarstellenden überdurchschnittlich gut, doch das zähe Inszenierungstempo kann einen an den Rand der nervlichen Belastbarkeit bringen. Allzu leer wirken auf die Dauer die vielen Pausen und bedeutungsschwangeren Blicke, die eigenartigen Metaphern und auf Teufel-komm-raus auf bizarr getrimmten Elemente (eine grotesk adipöse Frau etwa, oder eine riesige Heuschrecke), die nicht mehr als dekorative Sprengsel hergeben. Hier ist die Form m.E. der reine Selbstzweck, die Attitüde allzu vordergründig. Zeitgleich startet ein im besten Sinne kafkaesker Film mit dem Titel Willkommen um zu bleiben - den ich Ihnen alternativ und mit Nachdruck ans Herz lege.
R.: Timo Tjahjanto | B.: Derek Kolstad, Aaron Rabin
D.: Bob Odenkirk, Connie Nielsen, John Oritz, Sharon Stone u.a.
V.: Universal Pictures Germany | 89 Min. | FSK 16
V.: Leonine | 91 Min. | FSK 16
28. August
R.: Pierre Perfiel | B.: David Koepp
V.: Universal Pictures Germany | 104 Min. | FSK 6
Ästhetisch höchst anspruchsvoll und überbordend ausgestattet mit wilder Action, kann das zweite Abenteuer mit dem ersten mehr als mithalten. (Randnotiz: einige schnitttechnische Ideen sind weit über'm Standard) Auch kommen die Loser-Ex-Gangster wieder liebevoll mit Macken und Verrücktheiten daher. - Dies wäre dann allerdings auch meine Kritik. Der Film hat so wenig Ruhepunkte, ist so konsequent überfrachtet mit Hektik und Lärm, dass streckenweise mein vegetatives Nervensystem abschaltete. Wie als Belohnung für die Strapazen gelingt der dritte Akt des Abenteuers dann wieder wirklich fesselnd und rundet das Abenteuer quasi glücklich ab.
R.: Simon West | D.: Rebel Wilson, Anna Camp, Anna Chlumsky, Da'Vine Joy Randolph u.a.
V.: Constantin | 105 Min. | FSK 12
Undercover-CIA-Agentin Sam steht vor der schwierigen Aufgabe, als Trauzeugin ihrer besten Freundin aus Kindertagen aufzutreten und zugleich als Hardcore-Agentin unentdeckt zu bleiben. Leider hat sie sich gerade in ein Fettnäpfchen gesetzt und ist im Kreise ihrer Besties nicht gern gesehen. Umso tapferer muss sie bleiben, als die Hochzeitsgesellschaft von einer erbarmungslosen Gruppe Söldner in Geiselhaft genommen wird.
Die Besetzung dieser überschaubaren Komödie ist vielversprechend, doch hilft das rein gar nichts. Die lauen Gags tänzeln an der Oberfläche, das Buch weder Substanz noch auch nur ein Körnchen Originalität, der Regisseur entlockt dem Ensemble nicht mehr als Dienst nach Vorschrift. Verstärkt wird das Missvergnügen noch durch alberne Action-Sequenzen, gekrönt durch Tricksequenzen, die so miserabel gearbeitet sind, dass das Gehirn automatisch auf Koma schaltet, um die Peinlichkeit zu überstehen. Ich rate mit Überzeugung vom Kinobesuch ab.








Kommentare
Kommentar veröffentlichen