GROSSE FREIHEIT

GROSSE FREIHEIT
Kinostart: 18.11.2021 | FSK 16
Franz Rogowski

Österreich, Deutschland 2021
Genre: Drama, LGBTQ
Länge: 100 Min.
Regie: Sebastian Meise
Buch: Thomas Reider, Sebastian Meise
Darsteller: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke, Thomas Prenn u.a.
Kamera: Crystel Fournier, afc
Schnitt: Joana Scrinzi, aea
Musik: Nils Petter Molvær

Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, Deutschland Mitte der 1950er jahre, Deutschland Ende der 1960er Jahre - große Unterschiede gibt es da für Hans Hoffmann nicht: er verbringt die meiste Zeit im Knast. Sein Vergehen: er ist schwul. Wenn er aus dem Knast raus ist, will er Sex und hat ihn auch - anonym in dunklen Ecken, immer heimlich und versteckt. Dennoch, man liegt ihm auf der Lauer, filmt ihn durch Spiegel irgendwelcher öffentlichen Toiletten, er wird verraten von anderen Männern, denen er vertraut hat und die man unter Druck gesetzt hat, und schon sitzt er wieder ein. Der §175 legitimiert über Jahrzehnte das, was sich heute noch viele wünschen würden: weg mit den Homos! Hans muss sich die Zelle mit einem Österreicher teilen, dem wegen Mordes inhaftierten Viktor, den das abstößt und aggressiv macht. Doch als Viktor das Nummern-Tattoo auf Hans' Arm sieht, das der aus dem KZ mitgenommen hat, beginnt ein allmählicher Wandel.
 
Der Regisseur sagt in einem Interview über seinen initialen Gedanken: "Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der Liebe per Gesetz verboten ist und mit Gefängnis bestraft wird". Das mag absurd klingen, aber schauen wir uns in der Welt um, ist der Gedanke hoch aktuell.

Was wir hier haben, ist filmisches Gold (und wurde bereits mit Preisen reichlich bedacht*). Ein Film, der herausfordert, der Schwulsein frei von all den bemühten Klischees zeigt, die so oft für Klamauk und Pathos herhalten dürfen. Hier erleben wir eine Figur, die still und demütig hinnimmt (hinnehmen muss), was die Gesellschaft ihr aufbürdet: ein Dasein ohne jede Würde und mit dem einzigen noch verbleibenden Recht, am Leben zu bleiben - in einer Zelle. Rogowski setzt die Darstellung eines solchen Lebens mit einer Selbstverständlichkeit und Intensität um, die einen stumm werden lässt und die man nicht vergisst. Regisseur Meise hat mit diesem Film ein kluges wie mutiges Denkmal aufgestellt, das deswegen so gut funktioniert, weil es hart, nüchtern und konsequent genug ist, den Zuschauer eine Identifikation zu ermöglichen.

Die letzten Filmminuten zeigen glasklar, dass es mit dem Knast noch lange nicht vorbei ist, wenn ein Paragraph abgeschwächt oder gestrichen wurde. GROSSE FREIHEIT zählt zu den wichtigsten Filmen des Jahres, und er wird wichtig bleiben für Generationen. Ich bin überzeugt: dieser Film kann dazu beitragen, dass Menschen sich in ihrem Denken und Handeln ändern. Absolute Empfehlung.

cnm
 
#CinemoentiFavorite
 
*Ein paar Beispiele:
Cannes: Preis der Jury
Louvre d'Or: Bester Film
Sarajevo Filmfestival: Bester Spielfilm, bester Schauspieler: Friedrich
Waterloo Historical Filmfestival, Bester Schauspieler: Rogowski
Hamptons International Filmfestival, Special Jury Prize: Rogowski
 
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