DU WIRST MICH IN ERINNERUNG BEHALTEN

DU WIRST MICH IN ERINNERUNG BEHALTEN
★★★★★
Originaltitel: Tu Te souviendra de Moi | Filmstart: 07.12..2023 | FSK 12
Rémy Girard, Karelle Tremblay | © Jets Filmverleih

Kanada 2020
Genre: Tragikomödie
Länge: 108 Min.
Regie: Éric Tessier
Buch: Éric Tessier
Cast: Rémy Girard, France Castel, Julie Le Breton, Karelle Tremblay, David Boutin
Kamera: Pierre Gill
Schnitt: Jean-François Bergeron
Musik: Martin Léon

Édouard ist pensionierter Historiker/Geschichtsprofessor und betroffen von Alzheimer im Anfangsstadium. Während seine Frau und er ein gemeinsames Fernseh-Interview geben, ist unübersehbar, dass auch ihre Ehe zerrüttet ist; sie hält die Anstrengungen und Irritationen, die die Krankheit ihres Mannes mit sich bringen, nicht länger aus und wird ihn verlassen. Auf kleinen Umwegen kommt es eher zufällig dazu, dass Édouard sich mit einer ihm fremden, jungen Frau, Bérénice, im Haus seiner Tochter wiederfindet. Diese soll gegen Bezahlung auf ihn aufpassen, weil der Rest der Familie wahlweise keine Zeit oder nicht die Nerven dazu hat.

Hier treffen also zwei Ungleiche aufeinander, beide wütend, beide auf eigene Art hilflos und gewissermaßen (einander) ausgeliefert. Doch gerade in dieser Überforderung liegt eine Chance, die sie kreativ zu nutzen wissen und an der beide wachsen werden.

In den letzten Jahren hat es auffallend viele Filme zum Thema Alzheimer gegeben, die sich im Prinzip in zwei Kategorien teilen lassen: die Komödie und das Drama bzw. Melodram. Während die Komödien dazu tendierten, die Erkrankung mit simpler Situationskomik und Brachialhumor auszuschlachten, zeichnete sich das Gros der Dramen (die meisten von ihnen überaus sehenswert) durch Schwermut, Melancholie und ohnmächtige Betroffenheit aus.

Du wirst mich in Erinnerung behalten ist m.E. die erste Arbeit, die einen ganz eigenen Weg geht, der auf seine Art so entschlossen wie inspirierend beide Herangehensweisen geschickt kombiniert!
Denn die Hauptfigur ist sich der eigenen Situation höchst bewusst, sie tritt in Aktion, sie ergreift das Wort, sie wird laut, sie nimmt die krankheitsbedingten Einschränkungen einfach ins Gepäck und macht weiter, schimpft auf die Welt, macht sich lustig über sie, fordert ihre Rechte ein und nimmt unsere Wirklichkeit unter die Lupe. Und so wächst der "nervige Alte" der ihm im doppelten Sinne Fremden peu à peu ans Herz. Ein kleines Wunder, doch ein sehr glaubhaftes! Das gibt dem Film bei aller Schwere des Themas eine wohltuende Leichtigkeit. Sehr gut gefiel mir etwa der Vergleich von Demenz und digitaler Demenz - von der inzwischen die meisten von uns betroffen sind, ohne dass es irgendwen juckte.

Wir brauchen dringend mehr Filme, die Tabuthemen wie dieses (oder den Tod oder Depression) aus der Sackgasse Stigma herausholen und sie lebensbejahend, positiv (gerne humorvoll!) und kreativ angehen, ohne sie an den Klamauk zu verraten oder schicksalergeben zu bejammern.

Eine Komödie ist nicht immer bloß eine Komödie. Dieser Film hat etwas Heilsames und Hoffnungsvolles. Absolut sehens- und erlebenswert!

cnm

Du wirst mich in Erinnerung behalten basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von François Archambault, das dem Regisseur Inspiration und Initialzündung war.

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