KASH KASH

KASH KASH ★★★★★
Originaltitel: Kashkash - Without Feathers we can't fly |  Filmstart: 07.12.2024 | FSK 12
© Camino Filmverleih



Deutschland 2022

Genre: Dokumentarfilm
Länge: 90 Min.
Regie: Lea Najjar
Buch: Lea Najjar, Alia Haju
Kamera: Jonas Schneider
Schnitt: Tobias Wilhelmer
Musik: Samah Boulsmona, Farah Boulsmona & Kaddour

Über den Dächern der von Korruption, Protesten und einer der größten Explosionen des 21. Jahrhunderts gezeichneten Stadt Beirut fliegen jeden Abend Taubenschwärme aus ihren Käfigen und ziehen gemeinschaftlich ihre Kreise. Das uralte Tauben-Glückspiel “Kash Hamam” bildet eine unerwartete Kompensation für die Ungleichheiten der Stadt. Der Flug dieser Tauben folgt der Choreografie einer jahrhundertealten Tradition: dem Glückspiel “Kash Hamam”. Jeder Spieler besitzt einen Schwarm und lässt seine Tauben über seinem Haus kreisen, in der Hoffnung, die Tauben der Nachbarn auf sein eigenes Dach zu locken. Wenn eine gegnerische Taube auf einem eigenen Dach landet, wird sie eingefangen und somit der eigene Spielschwarm vergrößert. Das ist ein “Kash”.

Lea Najjar und ihr Team fangen mit beeindruckender filmischer Souveränität das bittersüße Geflecht von Kummer und Sehnsucht ein, das die hier Porträtierten - hauptsächlich Männer - ausmacht. Das Land geht wirtschaftlich in rasendem Tempo den Bach runter, die Inflation lässt die Menschen verzweifeln, jede Flucht birgt enorme Risiken und wäre kaum erschwinglich. Das Spiel und - vor allem - das Zusammensein mit den Tauben unterschiedlichster Art bringt vor diesem Hintergrund Freude, eine Art Perspektive und psychischen Halt. Die Vögel bieten zugleich einen Ausgleich zur alltäglichen Ohnmacht sowie - in aller Augen - ein beständiges Symbol für Liebe und Frieden.

Sehr elegant und auch diplomatisch geschickt flicht Najjar einen feministischen Aspekt mit ein, indem sie wie beiläufig ein Mädchen verfolgt, dem der Zugang zum Spiel kategorisch (von Jungs wie von den Männern) verwehrt wird, das sich aber dennoch der Durchsetzung ihres Traums, ein Teil dieser Kultur zu sein, behutsam annähert - - einer der berührendsten Momente des Films.

Wenn auch der dramaturgische Schnitt nicht ganz rund läuft (er neigt zur Redundanz), so ist Kash Kash doch eine der beeindruckendsten Dokumentationen des Jahres, weil sie einen klaren politischen Blick mit melancholischer Poesie verbindet. Einen großen Anteil daran haben die vortreffliche Kameraarbeit nebst einem feinfühligen Einsatz jederzeit stimmiger Musik. - Erlebenswert!

cnm 

Lea Najjar
wurde geboren 1994 in Wien und wuchs im Libanon auf. Noch während ihrer Schulzeit arbeitete sie als Pressefotografin. Sie besuchte zunächst die American University of Beirut und studierte anschließend Dokumentarfilmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Kash Kash ist ihr Abschlussfilm. Er feierte seine Weltpremiere auf dem CPH:DOX 2022 in Kopenhagen und wurde unter anderem mit dem First Steps Award 2022 und dem Goldenen Frosch bei dem polnischen Filmfestival Camerimage ausgezeichnet.

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