VOM ENDE EINES ZEITALTERS
VOM ENDE EINES ZEITALTERS ★★★★★☆
Filmstart: 25.04.2024 | FSK 12
Deutschland 2022
Länge: 155 Min. (lange Doku)
Regie: Christoph Hübner, Gabriele Voss
Mit: BürgerInnen des Stadtteils Ebel (Bottrop), Beschäftigte der Prosper-Zechen
Kamera: Christoph Hübner
Schnitt: Gabriele Voss
Sounddesign: Guido Zettier
Kamera: Christoph Hübner
Schnitt: Gabriele Voss
Sounddesign: Guido Zettier
Alle reden vom Klimawandel. Und dass sich etwas ändern muss. Im Ruhrgebiet geht das Zeit-
alter der Kohle zu Ende, schon lange und langsam. Als letzte Zeche schließt die Zeche Prosper/Haniel in Bottrop.
Die Geschichte des Ruhrgebiets ist seit 150 Jahren eine Migrationsgeschichte, in deren Kern
immer die Frage stand, wie können wir zusammen arbeiten und leben. Die alltägliche Beantwortung dieser Frage stiftete den Menschen über Jahrzehnte ihre Identität.
Heute fehlt der gemeinsame Arbeitgeber. Sind die Bewohner*innen des Ruhrgebiets auf der
Suche nach einer neuen Identität? Helfen die Industriedenkmäler und Museumsstücke, die
auf den ehemaligen Abraumhalden ausgestellt werden? Die weithin leuchtenden Kulturfestivals? Während man in den 60er Jahren in den Zechen-Siedlungen noch stolz sagte: Wir
helfen uns selbst und haben durch Vereine und Brauchtum die Möglichkeit, gemeinsam zu
gestalten, wartet man heute auf die Politik oder wendet sich enttäuscht ab, weil viel zu wenig
geschieht.
Die Dokumentaristen Christoph Hübner und Gabriele Voss haben über 40 Jahre die Veränderungen im Ruhrgebiet beobachtet und diejenigen begleitet, deren Leben und Arbeit davon
geprägt war. Ein Spagat zwischen allgemeiner Entwicklung und Einzelschicksalen. Dabei wird deutlich: Strukturwandel bedeutet nicht nur, dass Zechen schließen und
Landschaften rekultiviert werden müssen. Auch der soziale Zusammenhalt der Menschen
muss sich neu definieren.
Ein Projekt wie aus der Zeit gefallen - und doch von ihr erzählend. Ein Film, in dem das Ende noch
nicht das Ende ist - weil die Zukunft schon begonnen hat. (modifizierter Pressetext)
Wenn zu Beginn der Dokumentation die Kamera mit im Fahrstuhl nach unten ist und minutenlang den Blick auf vorbeirauschende Wände hält, ist klar: dies ist ein besonderes Filmdokument, eines, das uns mit fühlen lässt, was die Menschen, von denen hier berichtet wird, fühlen. Beschrieben und begleitet werden die letzten Jahre einer Art zu leben, die abhängig und vollkommen geprägt ist vom Bergbau: im täglichen Graben, einer Routine in Staub und Schmutz, im Kampf gegen Folgeerkrankungen und dem so bedingten regelmäßigen Verlust von Kollegen, im Zusammenhalt, in den Kneipen, den Vereinen und Feiern... Dem voraus gingen Generationen, für die diese Arbeit eine Welt, eine Identität, etwas Selbstverständliches war.
Wir sind nun mit dabei, wenn die Gerätschaften wie altersschwache Tiere hochgeholt und abtransportiert werden, wir sind dabei, wenn die Betroffenen darüber sinnieren, wie es denn nun weitergehen soll / kann, wie sie hilflos erleben müssen, wie der alte Zusammenhalt einsackt, verreckt, bis nur noch wenige soziale Fragmente übrig bleiben - kaum noch nennenswert. Die Politik - was Wunder - kann hier Versprechungen machen, aber eine neue Wirklichkeit ist mit ein paar Denkmälern und kulturellem Firlefanz nicht so einfach auf die Beine zu stellen.
Wir sind nun mit dabei, wenn die Gerätschaften wie altersschwache Tiere hochgeholt und abtransportiert werden, wir sind dabei, wenn die Betroffenen darüber sinnieren, wie es denn nun weitergehen soll / kann, wie sie hilflos erleben müssen, wie der alte Zusammenhalt einsackt, verreckt, bis nur noch wenige soziale Fragmente übrig bleiben - kaum noch nennenswert. Die Politik - was Wunder - kann hier Versprechungen machen, aber eine neue Wirklichkeit ist mit ein paar Denkmälern und kulturellem Firlefanz nicht so einfach auf die Beine zu stellen.
Was das Team von hauptsächlich zwei Filmschaffenden hier ganz offensichtlich in Demut und Bescheidenheit auf die Beine gestellt hat, ist nicht weniger ein so stilles wie imposantes Requiem, dessen echtes Pathos keinerlei künstlicher Überhöhung bedarf; wir spüren sie durchweg: die Trauer und die Leere, die sich angesichts einer unvermeidbaren Zeitenwende nach und nach bei den Menschen vor Ort einstellt.
Diese Doku ist interessant, sie ist erlebens- und sehenswert, sie ist humanistisch geprägt, und sie stellt eine Ehrfurcht gebietende Lebensleistung der Schaffenden dar.
Ihnen gebührt größter Dank.
cnm
Ihnen gebührt größter Dank.
cnm
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