MIT EINEM TIGER SCHLAFEN

MIT EINEM TIGER SCHLAFEN ★★★★
Filmstart: 23.05.2024 | FSK -
Birgit Minichmayr | © Arsenal



Österreich 2024

Genre: Biopic, Drama, Porträt
Länge: 107 Min.
Regie: Anja Salomonowitz
Buch: Anja Salomonowitz
Casting: Lisa Oláh
Cast: Birgit Minichmayr, Johanna Orsini, Oskar Haag, Lukas Watzl
Kamera: Jo Molitoris AAC
Schnitt: Joana Scrinzi AEA
Musik: Bernhard Fleischmann

Maria Lassnig (1919–2014) war eine herausragende österreichische Malerin. Sie studierte ab 1941 an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. In den 1960er Jahren lebte sie in Paris, in den 1970er Jahren in New York. Inspiriert von Abstraktion und Surrealismus entwickelte sie ihre „Körperbewusstseinsmalerei“. Ihr farbgewaltiges und inhaltlich dichtes Œuvre gilt als visionär und wird hoch geschätzt. Lassnig kämpfte ihr Leben lang gegen Ausgrenzung und um Anerkennung in einer männerdominierten Kunstwelt. 1980 wurde sie die erste Frau im deutschsprachigen Raum, die eine Professur für Malerei erhielt. 1988 wurde sie mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. 2013 erhielt sie den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Anja Salomonowitz porträtiert nun diese Frau, und das tut sie mit ungewöhnlichen Mitteln. Die Regelerfahrung beim Biopic ist ja, dass wir satt mit Informationen und wichtigen biografischen Eckdaten versorgt werden. Hier, ganz anders, werden wir mit Stimmungslagen der Künstlerin vertraut gemacht! Die Mittel dazu: Sprünge in den Zeitebenen, der Mut zu vielen Szenen ohne Dialog, in denen wir die Künstlerin allein mit sich und schaffend erleben und das verwirrende Stilelement, dass Minichmayr ihre Figur in jedem Alter spielt, ohne dass sie maskentechnisch angepasst wird. Hier, und nicht nur hier zeigt sich, was für eine begnadete Schauspielerin Birgit Minichmayr ist, denn sie mimt nicht; dank ihrer Interpretation spüren wir eine Kunstschaffende, die zeitlebens jung (weil neugierig und leidenschaftlich) und alt (weil zweifelnd und verzweifelt) zugleich war. Eine, die wohl ein Leben lang vorzugsweise in einer eigenen (inneren) Welt lebte, weil ihr die reale, männerdominierte und korrupte Welt zu krank erschien.

Längere Einblendungen der Werke (ohne auditive Überversorgung), gelegentliche Blicke und nüchterne, direkt in die Kamera gesprochene Sätze, ZeitzeugInnen-Aussagen, kleine inszenatorische Besonderheiten (wie starr stehende Komparsen, an ein Bild erinnernd und andere surreale Momente) verdichten und komplettieren den Gesamteindruck.

Mit ihrer intuitiv erzählten Biografie über Maria Lassnig hat Anja Salomonowitz eine feministische und schillernd wahrhaftige Skizze der Künstlerin geschaffen und ganz nebenbei stilistisch Maßstäbe für kommende Biopics gesetzt.

Mit einem Tiger schlafen ist ein Film, der bleiben wird.

cnm 

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