EIN LEBEN FÜR DIE MENSCHLICHKEIT - ABBÉ PIERRE
- ABBÉ PIERRE ★★★★★☆
Länge: 138 Min.
Buch: Frédéric Tellier, Olivier Gorce
Kamera: Renaud Chassaing AFC
Schnitt: Valérie Deseine, Frédéric Barbe
Musik: Bryce Dessner
Abbé Pierre, beboren 1912 als Henri Grouès in Lyon, gestorben 2007 in Paris, war ein katholischer Priester und Kapuziner, der mit seiner bewegten und bewegenden Lebensgeschichte für gelebten Humanismus stand. Dieses Biopic umspannt sein Leben weitfassend vom 20jährigen, der als Mönch dem Kapuziner-Orden beitritt bis zu seinem flammenden Engagement für die Armen selbst im hohen Alter.
Während des zweiten Weltkriegs wurde er schwächebedingt auf halbem Weg zur Front wieder nach Hause geschickt und fragte sich, ob dies sein Schicksal sei und er sich nun anderweitig engagieren müsse. Und obwohl in einer wohlhabenden Familie geboren, widmete er fortan all sein Tun der Rettung (an Leben und Seele) den Schwachen und Unterdrückten. Im Krieg gelang es ihm, hunderten von jüdischen Familien bei der Flucht zu helfen, später gründete er als Abgeordneter der Nationalversammlung die Obdachlosenhilfe "Emmaus" und avancierte während einer verheerenden Kältewelle 1953 zum Nationalhelden, als er einen ergreifenden Appell zu Solidarität und großzügiger Spende übers Radio abgab, die die Menschen wachrüttelte.
Ich möchte nicht ironisch sein, wenn ich sage, dass mich einige Passagen dieser Lebensgeschichte an die Bibel, an Jesus' Handeln und Reden erinnerte. Abbé Pierre ist ein wichtiger Film zur richtigen Zeit - oder besser: von trauriger Zeitlosigkeit. Gerade heute vergessen wir zu schnell und zu gern, dass der Wert einer Gesellschaft daran gemessen werden muss, wie es den Ärmsten darin ergeht. Ich hoffe sehr, dass dieser Film ein wenig zum Um- oder Neu-Denken anregen kann im Hinblick zB. auf den Umgang mit Geflüchteten, den Obdachlosen.
Neben dem erzählerischen Konzept, annähernd ein ganzes Leben in zwei Stunden zu erzählen, liegt die beeindruckendste Leistung dieser Arbeit im Schauspiel Lavernhes, der vom jungen Suchenden bis zum gebrechlichen Alten (Hochachtung vor der Maske!) jede Phase dieser Biographie so fantastisch spielt, dass ich ganz sicher war, es hier mit mindestens drei verschiedenen Darstellern zu tun zu haben. - Zum Ende hin verliert die Erzählung ein wenig an Kraft, neigt der Film zu unnötigem Pathos und zum Ausschweifen, da hätten ihm ein paar Kürzungen bzw. dezente Verknappung besser gestanden.
Wie gut, dass dieser herausragenden Persönlichkeit ein so sensibles, anrührendes und hochkarätiges Denkmal gesetzt wurde. Unbedingt erlebenswert!
cnm
Kommentare
Kommentar veröffentlichen