HELDIN

Übung in Demut
HELDIN
 
★★★★★★
Start: 27.02.2025 | FSK 6
Leonie Benesch, Margherita Schoch | © Tobis



Schweiz, Deutschland 2025
Genre: Drama
Länge: 92 Min.
Regie: Petra Volpe
Buch: Petra Volpe
Casting: Corinna Glaus
Cast: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Alireza Bayram, Selma Aldın, Urs Bihler, Margherita Schoch, Albana Algaj, Rivdan Muratı, Urbain Guiguemdé, Elisabeth Rolli, Doris Schefer, Jürg Plüss, Jeremia Chung, Eva Fredholm, Andreas Beutler, Lale Yavas, Dominique Lendi, Anna-Katharina Müller u.v.m.
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Hansjörg Weissbrich
Musik: Emilie Levienaise-Farrouch

Floria arbeitet mit Leidenschaft und Professionalität als Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses. Bei ihr sitzt jeder Handgriff, sie hat selbst in Stresssituationen immer ein offenes Ohr für ihre Patientinnen und Patienten und ist im Notfall sofort zur Stelle – idealerweise. Doch in der harten Realität ihres oft schwer kalkulierbaren Alltags sieht das oft anders aus. Als Floria an diesem Tag ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten, unterbesetzten Station eine Kollegin aus. Trotz aller Hektik umsorgt Floria eine schwerkranke Mutter und einen alten Mann, der dringend auf seine Diagnose wartet, ebenso fürsorglich und routiniert wie z.B. einen Privatpatienten mit all seinen Extrawünschen. Aber dann passiert ihr ein verhängnisvoller Fehler und die Schicht droht aus dem Ruder zu laufen. 

Während der Corona-Jahre und ihrer herausfordernden Lockdowns wurde der Begriff der "systemrelevanten Berufe" überaus konkret: welche Berufsstände tragen fraglos dazu bei, dass der Laden läuft - wer von ihnen ist unverzichtbar? Von den offiziellen Verneigungen und Ehrerbietungen konnten und können sich die Angesprochenen leider nichts kaufen. Krankenpfleger, Kassierer, Sozialarbeiter, Müllleute usw. (m/w/d) dürfen weiter schuften und werden für ihren täglichen Einsatz im Schnitt unterbezahlt, dürfen sich auf Altersarmut einstellen.

Dieser kluge und präzise Film von Regisseurin Petra Volpe nimmt sich exemplarisch einen einzigen dieser Menschen vor: eine Pflegerin im Krankenhaus. Einen kompletten Tag lang schauen wir ihr aus nächster Nähe über die Schulter. Da muss jeder Handgriff und jeder Gang über'n Flur stimmen und getaktet sein, zumal man schon wieder unterbesetzt ist und keine Zeit für Schlenker bleibt. Ganz nebenbei darf noch die Neue eingearbeitet werden, die natürlich noch nicht verstanden hat, wie der Hase läuft. Ich bin dankbar, dass Volpe hieraus keinen künstlich aufgeblähten Krimi gezimmert hat, sondern schlicht die Wirklichkeit für sich selbst sprechen lässt. Leonie Benesch spielt ihre Figur mit hinreißender Menschlichkeit; wir erleben eine Frau, die immer freundlich zu bleiben bemüht ist, die alles im Blick behalten muss (und will), derweil sie ständig mindestens drei Dinge gleichzeitig zu regeln hat. Ihr gegenüber: Menschen mit ihren Schicksalen und Bedürfnissen zwischen Reanimation und dem Wunsch nach einem frischem Pfefferminztee. Ein sehr knappes Telefonat mit der Tochter zuhause wird da zum puren Luxus. - Die Anspannung überträgt sich sukzessive auf uns, und was sich für mich persönlich am Ende ergab, war so etwas wie eine Übung in Demut. Kann ein Film mehr erreichen?

Heldin ist ein politischer Appell und in seiner Nüchtern- und Klarheit so packend wie zeitlos. Damit gehört er für mich jetzt schon zu den wichtigsten Arbeiten des Jahres.
Dringend empfohlen!

cnm 

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